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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Handpressen... ein Rotations-Schleifapparat — ja, dazu
braucht man aber Strom; vielleicht durch Anschluß an die Dynamomaschine im Hof
des Hotels? Auch eine Kühlanlage wäre wichtig, damit die Mädchen bei der Arbeit
keinen Schweiß absondern. Die Schuhe müssen die Werkstatt in jungfräulicher
Reinheit verlassen...
    Ob sich der Aufwand bezahlt macht?› Sie
lag in der Bademulde und rechnete. Jeff Pocock erhielt für eine rohe
Alligatorenhaut durchschnittlich siebzig Shilling. Peck & Levy
zahlten, das wußte sie noch, für die zugerichtete Haut etwa hundertundachtzig.
Die Zurichtung, einschließlich Gerben, durfte ihrer Berechnung nach nicht mehr
als zwanzig Shilling kosten. In Australien war dies eine Menge Geld. Hier kämen
die Häute weit billiger als in England. Und die Löhne sind entschieden
niedriger... Weibliche Arbeitskräfte, sagte sie sich, werden in Willstown lange
nicht so hoch bezahlt wie in Perivale. Natürlich tritt dazu noch die Fracht bis
London mit allem, was drum und dran hängt...
    ‹Ob Peck & Levy den Verkauf
übernähmen?› fragte sie sich. ‹Mr. Peck hat die Fabrikation seit längerer Zeit
etwas vernachlässigt und lieber andere Fabrikate verkauft... zum Beispiel die
französischen Handtaschen von Ducros Frères — obwohl Peck & Levy doch
selbst Damentaschen herstellen...! Aber das ist nicht einmal das Entscheidende.
Rein geschäftlich könnte die Sache klappen. Die Frage ist nur: Findet man genug
Mädchen, und ist es möglich, sie so anzulernen, daß sie wirklich erstklassige
Ware zustande bringen, die man in der Bond-Street verkaufen kann? Ja, das ist
hier die Frage!›
    So brütete Miss Paget in der heilsamen
Wärme des Bades.
    Als sie am Abend im Liegestuhl auf der
Veranda saß, näherte sich ihr Sam Small. «Miss Paget, hätten Sie vielleicht ein
paar Minuten Zeit?»
    «Gewiß, Mr. Small.»
    «Ja, also die Schuhe, die Sie gemacht
haben», begann er. «Ich habe mich gefragt, ob Sie das nicht unserer Judy
beibringen könnten.»
    «Wie alt ist Ihre Judy, Sam?»
    «Fünfzehn — wird im November sechzehn.»
    «Und sie soll schustern lernen?»
    «Ich habe mir gedacht: wenn Judy so
anständige Damenschuhe herstellen kann, lassen sie sich in Cairns in den
Geschäften verkaufen. Judy muß jetzt allmählich daran denken, sich ihren
Unterhalt zu verdienen. Aber wie soll sie das hier in Willstown? Da müßte sie
schon in die Großstadt wie die anderen Mädchen, und wissen Sie: das wäre ihrer
Mutter schrecklich! Wir haben nur die eine Tochter, sonst lauter Buben. Und da
habe ich gedacht: Schuhmacherei — das wäre doch etwas, das sie bei uns daheim
ausüben könnte! Was man dazu braucht, Miss Paget, haben wir ja alles zur Hand.»
    «Außer Schnallen», sagte Joan
nachdenklich und mehr zu sich selbst: «Wo nehmen wir nur die Schnallen her?»
Sie überlegte und gab den Bescheid: «Lieber Sam Small, so geht es nicht. Sie
finden die Schuhe sehr schön, aber sie sind gepfuscht. So etwas läßt sich in
England unmöglich verkaufen — jedenfalls nicht an Leute, die das viele Geld
dafür ausgeben. Selbst in Cairns nimmt Ihnen kein besseres Geschäft ein solches
Paar Schuhe ab.»
    «Ich finde sie tadellos!»
    Sie schüttelte heftig den Kopf. «Ich
bin aus der Branche, Sam. Ich weiß, wie ein Luxusschuh aussehen muß. Ich will
nicht behaupten, wir könnten in Willstown keine anständigen Schuhe fabrizieren.
Ich will es sogar probieren. Aber um so eine Sache richtig anzupacken, braucht
man besondere Apparate, Werkbänke, das richtige Werkzeug und ganz spezielles
Material. Ich würde mich freuen, wenn Ihre Judy an so einer Arbeit Spaß fände.
Nur für sich allein, auf eigene Faust, geht es nicht.»
    «Sie denken an eine eigene Fabrik oder
so etwas?» Er sah sie erwartungsvoll an.
    «Ich weiß nicht recht. Angenommen, es
wollte jemand etwas in dieser Art hier anfangen! Wie viele Mädchen gäbe es
wohl, die zu regelmäßiger Arbeit, vor- und nachmittags, bereit wären, bei einem
Wochenlohn von — sagen wir: fünf Pfund?»
    «Hier in Willstown?»
    «Richtig!»
    «Wie alt denken Sie sich die Mädchen?»
    «Sobald sie mit der Schule fertig sind,
also ab vierzehn.»
    «Was? Vierzehnjährigen Kindern wollen
Sie fünf Pfund für die Woche zahlen?»
    «Nicht gleich, erst wenn sie angelernt
sind.»
    Er überlegte die ihm gestellte Frage
und fand: «Sechs oder sieben Sechzehn- bis Siebzehnjährige gäbe es wohl. Und
dann die Schulentlassenen.»
    Joan war mit ihren Gedanken schon ein
Stück weiter. «Sam!

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