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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Tim
korrigieren, kaufte im Warenhaus ein zweites Messer, einen Abziehstein, als
Fixiermittel einige Tuben Durofix und begann frischen Mutes von neuem. Die
junge Annie hatte den Fortgang der Arbeit mit Anteilnahme verfolgt, war immer
wieder in Joans Kammer gekommen, hatte beim Zurichten und Feilen der Sohlen,
beim Spannen der Alligatorhaut über die Leisten aufmerksam zugeschaut und
bemerkt: «Gott, sind Sie geschickt! Die sind fast so schön wie im Laden!»
    Das zweite Paar wurde besser. Es paßte
einigermaßen, nur war das Wallaby-Futter noch ungleichmäßig und bildete kleine
Knollen. Auch häßliche Schweißflecken waren zu sehen. Unverzagt nahm sie ein
drittes Paar in Angriff, verwandte für das Futter Wallabyhaut von genau
gleicher Dicke, denn zum Abschleifen fehlten ihr die geeigneten Werkzeuge, und
fügte die einzelnen Teile in den frühen Morgenstunden zusammen; da schwitzte
sie nicht. Das Endergebnis war ein glaubwürdiger Schuh, und wenn auch die Farbe
nicht gerade schön war, so konnte sie sich mit dieser Fußbekleidung doch sehen
lassen und tat es.
    Sie nahm die drei Paar, ging damit
hinunter auf die Veranda und zeigte sie Al, der sofort einige Zuschauer,
darunter Mrs. Connor, heranrief.
    «Sehen Sie», sagte die glückliche
Schusterin. «Das wird in England aus euren Alligatorhäuten! Hübsch, nicht?»
    «Die haben Sie selbst gemacht, Miss
Paget?» fragte ein Mißtrauischer.
    Lachend versetzte sie: «Fragen Sie nur
Mrs. Connor; sie hat das Durcheinander oben in meiner Kammer gesehen!»
    «Mein Wort darauf», rief der Mann, «sie
sind so proper, als kämen sie aus dem Schuhgeschäft.»
    «Das nicht», wehrte die Schuhmacherin
bescheiden, «es ist immer noch nicht das Richtige», und zeigte verschiedene
Mängel. «Mir fehlen die richtigen Stifte und das geeignete Fixativ. Es ist
unordentlich, ich wollte euch bloß mal zeigen, was mit Jeffs vielen Häuten
geschieht.»
    «Ich wette, die können Sie in Cairns
gut verkaufen!» sagte ein Viehzüchter, «mein Wort darauf!»
    «Was kostet so ein Paar in England?»
fragte Sam Small.
    «Im Laden?» Sie dachte nach. «So etwa
vier Pfund fünfzehn. Der Fabrikant, das weiß ich, bekommt dafür fünfundvierzig
Shilling, dazu kommt dann die Umsatzsteuer und die Gewinnspanne des
Einzelhändlers. Natürlich», setzte sie nach kurzem Besinnen hinzu, «wird für
ganz erstklassige Luxusschuhe noch mehr gezahlt. Es gibt Läden, in denen kosten
sie bis zu zehn Pfund.»
    «Zehn Pfund?! Für so ein Paar Schuhe?
...»
    Jeff war an dem Tage flußaufwärts bei
seinen Fallen und konnte daher ihr Produkt nicht bewundern. Sie ließ es in der
Bar, wo es die Gäste in Augenschein nahmen, und ging baden. Annie hatte ihr
gezeigt, wie man das in Willstown bewerkstelligte. Die Brause im «Hotel
Australien» war schrecklich warm, weil die Zisterne den ganzen Tag der Sonne
ausgesetzt war. Zu einem Vollbad aber gab es eine andere Möglichkeit. In jener
abseits gelegenen Holzhütte, durch die das Wasser aus dem Bohrloch floß, befand
sich ein Bassin aus rauhem Zement, groß genug, um zu zweit darin zu liegen. Das
Wasser war durch die Entfernung von seinem Ursprung just auf die richtige
Temperatur abgekühlt. Mit Handtuch und Seife bewaffnet, konnte man sich in der
Hütte einschließen und in dem fließenden Wasser wälzen. Die Salze, die es
enthielt, wirkten ungemein erfrischend.
    Und nun lag Joan in der warmen Flut,
auf der die Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen der Bretterwand drangen,
fröhlich spielten und glitzerten. Seit ihr Jeff Pocock seine Alligatorhaut
verehrt hatte, beschäftigte sie die Schusterei, und seitdem sie von mir von
ihrer Erbschaft erfahren, hatte sie der Gedanke verfolgt, ja mitunter gequält,
was sie mit ihrem Leben beginnen solle. Zu geruhsamem, müßigem Lebensgenuß war
sie nicht geschaffen; sie war gewöhnt, tätig zu sein. Seit sie ihre Stellung
bei Peck & Levy aufgegeben hatte (was bei einem Jahreseinkommen von
neunhundert Pfund nur natürlich war), bestand eine Lücke in ihrem Dasein, und
die letzten sechs Monate waren, ihr unbewußt, ein ständiges Trachten nach
sinnvoller Beschäftigung gewesen. Das einzige, wovon sie etwas verstand, waren
Leder-Luxuswaren wie Alligatorschuhe, Hand- und Aktentaschen und
Reisenecessaires, und als sie sich nun des warmen, kräftigen Bades erfreute,
dachte sie gründlich darüber nach...
    ‹Wie wäre es beispielsweise mit einer
bescheidenen Werkstatt, darin etwa fünf Mädchen...? und dazu eine kleine
Gerberei...? Zwei

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