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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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wandte sie ein, Annie habe alle
Hände voll zu tun und sie selber gar nichts. «Sie brauchen mir nur Ihr Waschfaß
und Bügeleisen zu leihen.»
    «Mei-net-we-gen!»
    Den Vormittag über wusch und plättete
Joan im Erdgeschoß auf der Küchenveranda, und was sie hier auf die Wäscheleine
hängte, trocknete bei der dörrenden Hitze in zehn Minuten. Aber in der Küche
war es noch heißer, hundertzwanzig Fahrenheit schätzte sie; sie huschte nur
schnell hinein, ihr Plätteisen zu holen, dann schleunigst wieder heraus und
bewunderte den Heldenmut der Frauen, die unter solchen Verhältnissen täglich
drei Mahlzeiten zubereiteten.
    Eine Weile drückte sich Annie auf der
Küchenveranda herum, verfolgte verstohlen das Tun der Geschäftigen, griff nach
dem Karton Seifenflocken und erkundigte sich, wieviel man davon ins Wasser tue.
    «Ganz wenig!» antwortete Joan, «etwa
eine Handvoll auf fünf Liter. Es steht auf dem Paket.» Die Magd musterte den
Karton von allen Seiten. «Da, wo ‹Gebrauchsanweisung› steht!» gab Joan an.
    Die Wirtin rief aus der Küche: «Das
kann Annie nicht lesen!»
    «Ich kann lesen», widersprach die Magd.
    «So?» höhnte die Wirtin: «Dann lies
einmal vor, was da geschrieben steht!»
    Annie legte die Seifenflocken wieder
hin. «Ich bin etwas außer Übung. In der Schule habe ich gut gelesen», und um
ihr die Beschämung zu ersparen, erklärte Joan: «Es genügt, wenn Sie so lange
Seifenflocken ins Wasser tun, bis es gehörig schäumt. Es ist auch bei jedem
Wasser ein bißchen anders; es kommt auf den Härtegrad an.»
    «Ich mach’s mit Waschseife; da wird es
aber nicht so weiß wie bei Ihnen», sagte Annie und fragte leise: «Sind Sie
Schwester?»
    «Nein, Stenotypistin.»
    «Ich dachte nur... weil die meisten,
die herkommen, Schwestern sind. Aber sie bleiben nie lang. Ein halbes Jahr,
dann haben sie die Nase voll.» Pause. «Schade, daß Sie keine Schwester sind...
Ich hätte Sie sonst um etwas gebeten. Ich fühle mich in letzter Zeit morgens
beim Aufstehen so schlecht. Heute früh habe ich erbrochen.»
    «Das ist unangenehm», meinte Joan vorsichtig.
    «Ich gehe nachher ins Spital und bitte
Schwester Douglas um etwas Arznei», sagte Annie achselzuckend, und Joan hielt
dies entschieden für das beste.
    Im Laufe des Tages lernte sie ziemlich
alle Honoratioren von Willstown kennen. Im Warenhaus gegenüber wollte sie
Zigaretten kaufen, fand aber nur Zigarettentabak in Büchsen und
Zigarettenpapier. Bill Duncan, der Inhaber, fing mit ihr ein Gespräch an,
zeigte ihr einen Klumpen Goldquarz, und als die Schullehrerin Miss Kenroy
hereinkam, wurde sie ihr vorgestellt. Eine halbe Stunde danach machte Al Burns sie
im Hotel mit dem Bezirksschreiber bekannt.
    Die heiße Nachmittagszeit verschlief
sie wie üblich. Als es kühler wurde, setzte sie sich wie am Abend zuvor auf die
Vorderveranda im Erdgeschoß und brauchte nicht lange zu warten, bis die Ringer
sich einer nach dem andern einfanden. Bald war der Plauderkreis wieder
vollzählig beisammen, und um der spürbaren Befangenheit vorzubeugen, ließ Joan
jeden von sich erzählen.
    Einer sagte zum Beispiel: «Es ist hier
soweit ganz gut, gutes Viehland, mehr Regen als weiter südlich, aber nächstes
Jahr haue ich ab. Mein Bruder ist in Rockhampton an der Bahn angestellt und
sagt, wenn ich hinkomme, nimmt er mich in seine Kolonne.»
    «Wird dort besser gezahlt?» fragte
Joan.
    «Ach nein! Das nicht! Man verdient hier
als Cowboy fünf Pfund siebzehn Shilling und sechs Cent. Kost und Logis haben
wir natürlich umsonst.»
    «Kein schlechter Lohn!» sagte Joan
überrascht.
    «Die Bezahlung ist in Ordnung», gab
Pete Fletcher zu. «Das Blöde ist nur der Ort. Was soll man hier anfangen?»
    «Haben Sie hier denn nie eine
Filmvorführung oder so was?»
    «Ja, da ist so einer; es hieß, er soll
alle vierzehn Tage im Bezirksgebäude da drüben Filme laufen lassen.» Es war ein
niedriger, scheunenartiger Holzbau, auf den er wies. «Aber jetzt war er seit
einem Monat nicht mehr da. Der Bezirksschreiber meint, nächste Woche käme der
Filmonkel wieder.»
    «Wie steht es mit Tanzabenden?» fragte
Joan.
    Ironisches Lachen antwortete ihr und
die Erklärung: «Wir haben’s versucht, aber dazu ist hier nicht der richtige
Ort. Keine Damen!»
    «Fünfzig Männer kommen von den
Viehstationen, Miss Paget», klagte Pete Fletcher — , «und wieviel ledige
Mädchen gibt es hier, mit denen man tanzen kann? — Zwei. Doris Nash und Susie
Anderson. Die anderen sind entweder noch

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