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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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lieber Noel,
    ich wollte, ich hätte eine
Schreibmaschine, denn das wird ein langer Brief, ich muß mir wohl bald eine
Reiseschreibmaschine zulegen, damit ich Durchschläge habe — nicht meiner Briefe
an Dich, aber geschäftliche, denn da gibt es jetzt allerhand Korrespondenz!
    Vor allem danke ich Dir vielmals für
alles, was Du mir von Joe Harman erzählt und für ihn getan hast. Du warst, wie
ich Deinem Brief entnehme, riesig nett zu ihm und damit zugleich zu mir. Ja,
was soll man dazu sagen, daß er Hals über Kopf nach England ist und das viele
Geld ausgegeben hat, bloß, um mich wiederzusehen. Du findest es gewiß
tadelnswert, aber hier im Outback sind die Leute so. Da könnte ich Dir Dinge
erzählen! Sie sind ähnlich wie Harman: einfach, echt und sehr aufrichtig.
    Und nun wegen Willstown! Ich weiß ja
nicht, ob Joe Harman, wenn er mich wiedersieht, noch Lust hat, mich zu
heiraten. Sechs Jahre sind eine lange Zeit, und der Mensch ändert sich. Ich
weiß ebensowenig, ob ich Lust haben werde, ihn zu heiraten. Aber wenn — ja,
dann stimmt alles, was er Dir von Willstown erzählt hat, aufs Haar. Es ist dort
gräßlich, lieber Noel. Es gibt im Outback gewiß auch Orte, wo man angenehm
leben und glücklich sein kann. Alice Springs ist eine prächtige Kleinstadt.
Aber Willstown, nein, Noel, Willstown ist schon das Letzte! Da hat eine Frau
nichts zu tun — außer an der Waschhütte. Gewiß, man sollte auch ohne Radio,
Lippenstift, Eiscreme und hübsche Kleidung auskommen können, und ich kann es,
so wie in Malaya! Aber keine frische Milch, kein Frischgemüse, kein Obst haben,
das scheint mir denn doch etwas zu schlimm. Darin hat Joe vollkommen recht. Ich
kann mir nicht vorstellen, daß sich irgendein Mädchen aus England in Willstown
wohlfühlen könnte. Ich kann es jedenfalls nicht, so wie die Dinge liegen.
    Und doch, Noel, möchte ich nicht, daß
Joe sich mir zuliebe völlig umstellt. Er ist ein ausgezeichneter
Stationsmanager und kann es auf diesem Wege noch viel weiter bringen. Ich habe
die verschiedensten Leute gefragt, wie Midhurst geht. Es geht gut. Ich will
nicht behaupten, es könnte nicht besser gehen, wenn er sich mehr umsehen und
darauf achten würde, wie es andere Züchter machen, aber im Vergleich mit
sonstigen Viehstationen der Gulf Country ist Midhurst vortrefflich und wird
jedes Jahr besser. Der vorige Manager hat es, wie ich hörte, etwas verwahrlosen
lassen, aber Joe hat in den zwei Jahren, die er jetzt dort ist, seine Sache gut
gemacht. Es wäre mir nicht recht, wenn er anderwärts wieder von vorn anfangen
wollte, bloß um eine reiche Frau zu heiraten, die es in Willstown, dem ihm
gemäßen Arbeitsfeld, nicht aushalten kann. Du wirst vielleicht sagen: Dann soll
er sehen, daß er eine andere Station bekommt, eine in schönerer Lage, zum
Beispiel bei Alice. Ich habe mir das auch schon durch den Kopf gehen lassen,
aber das wäre gar nicht so einfach. Und wenn, würde es mir nicht recht zusagen.
Midhurst ist keine so üble Gegend; es hat sogar mehr Regen als wir in England.
Auf weite Sicht hat man in der Gulf Country bessere Aussichten als auf einer
Farm bei Alice, und da möchte ich mir nicht sagen müssen: mir zuliebe hat er
das gute Land liegen lassen und ist ins weniger gute gezogen. Das wäre kein
schöner Anfang für die Frau eines Stationsmanagers.
    Lieber Noel, was meinst Du: Könnte ich
fünftausend Pfund von meinem Kapital haben? Ich will nichts überstürzen und
bitte zunächst nur um Deinen Rat. Wenn ich Joe wiedersehe, und er will mich
heiraten und ich ihn, dann möchte ich erst ungefähr ein Jahr für mich
selbständig in Willstown arbeiten, ehe ich mich entschließe, für immer dort zu
bleiben. Ich muß sehen, ob ich mich einleben kann oder ob es hoffnungslos ist.
Ich bin zwar in England aufgewachsen, aber es würde mich freuen, im Hinterlande
des Golfs von Carpentaria zu leben, denn die Menschen sind dort sehr anständig.
    Ich habe vor, versuchsweise eine kleine
Werkstatt für Schuhe und Handtaschen aus Alligatorhaut einzurichten; im letzten
Brief habe ich Dir ja schon davon geschrieben. Ich verstehe mich einigermaßen
darauf, und außer Metallteilen ist alles Erforderliche in der Gegend vorhanden.
Ich schrieb heute früh an Mr. Peck und fragte ihn, ob er bereit sei, mir die
Ware bei prima Qualität abzunehmen, und welche Preise er bei Lieferung franko
Perivale zahlen wolle. Ich bat ihn ferner um ein Verzeichnis der zur
Werkstatteinrichtung nötigen Gegenstände mit Preisangabe, unter

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