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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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korrekt.«
    »Und zwar?« fragte ich neugierig.
    »Meine Fiedel könnte neue Saiten vertragen«, bemerkte er. »Stecken Sie Ihren Revolver ein. Wenn der Bursche kommt, dann reden Sie ganz normal mit ihm. Überlassen Sie mir alles andere. Erschrecken Sie ihn nicht, indem Sie ihn zu scharf ansehen.«
    »Es ist jetzt acht«, sagte ich mit einem Blick auf meine Uhr.
    »Ja. Er wird vermutlich in ein paar Minuten hier sein. Lehnen Sie die Tür an. Das reicht. Nun stecken Sie den Schlüssel auf der Innenseite ins Schloß. Danke! Dies hier ist ein komisches altes Buch, das ich gestern an einem Stand gefunden habe –
De Iure inter Gentes,
veröffentlicht auf Lateinisch in Lüttich, 1642. Der Kopf von Charles 16 saß noch fest auf seinen Schultern, als dieses kleine Bucht mit braunem Rücken in Umlauf gebracht wurde.«
    »Wer hat es gedruckt?«
    »Philippe de Croy, wer immer das gewesen sein mag. Auf dem Vorsatzblatt steht in arg verblichener Tinte ›Ex libris Gulielmi Whyte‹. Ich wüßte gern, wer William Whyte war. Ein pragmatischer Anwalt des siebzehnten Jahrhunderts, nehme ich an. Seine Handschrift hat einen gewissen rechtlichen Dreh. Ich glaube, da kommt unser Mann.«
    Während er dies sagte, wurde die Türglocke heftig betätigt. Sherlock Holmes erhob sich leise und schob seinen Stuhl in Richtung Tür. Wir hörten die Dienerin durch die Diele gehen und dann das scharfe Klicken der Klinke, als sie sie drückte.
    »Wohnt Dr. Watson hier?« fragte eine helle, aber eher harsche Stimme. Wir konnten die Antwort der Dienerin nicht hören, aber die Tür schloß sich wieder, und jemand kam die Treppe herauf. Die Schritte waren unsicher; sie schlurften. Ein Ausdruck der Überraschung trat in das Gesicht meines Gefährten, während er lauschte. Langsam näherten sich die Schritte auf dem Gang, und dann erfolgte ein schwaches Klopfen an der Tür.
    »Herein!« rief ich.
    Auf meine Aufforderung hin humpelte statt des erwarteten gewalttätigen Mannes eine sehr alte, runzlige Frau in den Raum. Das jähe grelle Licht schien sie zu blenden, und nach einem kurzen Knicks stand sie dort, blinzelte uns mit ihren trüben Augen an und fingerte mit nervöser, zittriger Hand in ihrer Tasche. Ich warf meinem Gefährten einen Blick zu, und sein Gesicht hatte einen derart untröstlichen Ausdruck angenommen, daß ich Mühe hatte, die Fassung zu bewahren.
    Das alte Hutzelweib zog eine Abendzeitung hervor und wies auf unsere Annonce. »Das ist’s, was mich hergebracht hat, werte Gentlemen«, sagte sie; dabei knickste sie abermals. »Ein goldener Trauring in der Brixton Road. Er gehört meiner Tochter Sally, die wo jetzt genau ein Jahr verheiratet ist, und was ihr Mann ist, der ist nämlich Steward auf ‘nem Schiff der Union Line 17 , und was er wohl sagt, wenn er heimkommt und findet, daß sie ihren Ring nicht mehr hat, daran will ich lieber nicht denken, wo er doch wenig Geduld hat, auch wenn alles stimmt, und besonders, wenn er was getrunken hat. Sie ist nämlich, bitte sehr, in den Zirkus gegangen, gestern abend, mit …«
    »Ist das ihr Ring?« fragte ich.
    »Dem Himmel sei Dank!« rief die alte Frau. »Sally wird heute abend eine glückliche Frau sein. Das ist der Ring.«
    »Und was ist bitte Ihre Adresse?« fragte ich; ich ergriff einen Bleistift.
    »13, Duncan Street, Houndsditch. Weit weg von hier.«
    »Die Brixton Road liegt aber zwischen keinem Zirkus und Houndsditch«, sagte Sherlock Holmes schroff.
    Die alte Frau wandte sich um und sah ihn scharf aus ihren kleinen, rotgeränderten Augen an. »Der Gentleman hat mich nach
meiner
Adresse gefragt«, sagte sie. »Sally wohnt zur Miete in Nr. 3, Mayfield Place, Peckham.«
    »Und Sie heißen …?«
    »Ich heiße Sawyer – sie heißt Dennis, weil sie mit Tom Dennis verheiratet ist – und ein guter, sauberer Junge ist das, solang er auf See ist, und in der ganzen Schiffahrtsgesellschaft ist kein Steward besser angesehen; aber an Land, was Frauen angeht und Schnapsläden …«
    »Hier ist Ihr Ring, Mrs. Sawyer«, unterbrach ich sie, auf ein Zeichen meines Gefährten hin. »Er gehört offensichtlich Ihrer Tochter, und ich freue mich, daß ich ihn seiner rechtmäßigen Besitzerin zurückgeben kann.«
    Mit vielen gemurmelten Segenswünschen und Äußerungen der Dankbarkeit steckte die Alte ihn in die Tasche und schlurfte treppab und von hinnen. Im Augenblick, da sie gegangen war, sprang Sherlock Holmes auf und lief in sein Zimmer. Wenige Sekunden später kehrte er mit Ulster und Schal zurück.

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