Eine stuermische Braut
Kindersachen weitermachen.«
Die Worte der Ladys gaben Linnet viel zu denken. Mit einem Herzen, das, als sie in sich hineinhorchte, immer noch unschlüssig pochte, schloss sie sich ihrer Gastgeberin bereitwillig an.
Nach dem Mittagessen folgte sie Phoebe und Penny die Treppe hinauf in das große Kinderzimmer, das den größten Teil in einem der unregelmäßig gebauten Flügel des Hauses einnahm. In dem alten Burgturm an einem Ende war ein großes, rundes Zimmer eingerichtet worden. Große Fenster boten wundervolle Blicke auf das Meer hinaus und an der Küste entlang, und für die Kinder gab es keinen besseren Platz zum Spielen.
Es war auf Anhieb klar, dass Linnet am besten beim Verpacken der Sachen für die Kinder helfen konnte, wenn sie die vier älteren Kinder ablenkte. Sie nutzte ihre Autorität als Kapitän der Esperance und hatte daher keine Schwierigkeiten, die Kinder zu den breiten Sitzen unter den großen Turmfenstern zu locken, wo sie sich gemütlich einrichteten und erst »Schiffe erkennen« und dann »Vögel erkennen« spielten. Nachdem sie zahlreiche Vogelarten geraten hatten und die Faszination der Kinder für Schiffe sich zu verflüchtigten begann, fingen sie damit an, ihr Wissen auszubreiten, darüber zu streiten und anschließend Linnet zu lauschen, die erläuterte und korrigierte. Auf ihren Vorschlag hin dachten sie sich schließlich Geschichten über Schiffe aus, über deren Reisen, über Kapitäne und über die Mannschaften.
Lächelnd lehnte Linnet sich an den Fensterrahmen und ermutigte ihre Ausflüge in die Fantasie. Besonders die drei Jungen waren erfindungsreich, beschrieben Piraten und Schätze und Seeschlachten.
Phoebes Tochter Jessica hatte irgendwann genug von dem Unsinn und stand auf, um sich neben Linnet zu setzen. Sie streckte die Hand aus, und ihre Miene hellte sich auf, als sie Linnets seidigen Chignon berührte.
»Darf ich es flechten? Manchmal mache ich auch Mamas Haar.«
Linnet lächelte in Augen, die beinahe so grün waren wie ihre und mehr noch wie Phoebes.
»Wenn du möchtest.« Sie drehte sich zur Seite, sodass Jessica sich hinter ihren Rücken knien konnte. Linnet zog die Nadeln heraus, mit denen sie ihre Haarmasse befestigt hatte. Als ihr die Masse über die Schultern fiel, stieß Jessica ein »ohhh« aus und fuhr mit ihren kleinen Fingern hindurch.
»Ich mach einen dicken Zopf«, beschloss Jessica.
Mit einem Lächeln auf den Lippen überließ Linnet ihr die Sache und richtete ihre Aufmerksamkeit auf eine Diskussion über die jeweiligen Vorzüge von Schwertern oder Messern bei der Beseitigung verachtenswerter Piraten.
Vorsichtig und mit sanften Fingern kämmte Jessica ihr das lange Haar und flocht es dann verbissen. Ein paar Mal musste sie von vorn anfangen, den Zopf wieder lösen, um ihn enger oder lockerer zu binden. Aber schließlich schlüpfte sie hinter Linnets Rücken nach vorn und hastete in das Hauptzimmer, um gleich darauf mit einem Band zurückzukehren.
Das Mädchen kletterte wieder neben Linnet und legte aus lauter Konzentration die Stirn in Falten, während sie das Ende des Zopfes festband. Dann setzte sie sich auf ihre Fersen zurück, betrachtete das Ergebnis und lächelte - ein breites, hübsches Lächeln.
»Da, ich bin fertig.« Jessica tätschelte den dicken Zopf und legte ihn Linnet über die Schulter. »So bleibt er ordentlich.«
»Danke.« Linnet drückte Jessica ein Küsschen auf die Stirn, zog sich zurück und blinzelte nach unten, um den leicht schief hängenden Zopf zu betrachten. »Der Zopf ist wunderbar. Aber du darfst dich nicht aufregen, wenn ich ihn später ausbürsten und das Haar zum Dinner aufstecken muss.« Verschwörerisch sah sie Jessica an. »Ladys müssen so etwas tun.«
Jessica nickte feierlich zurück.
»Ich weiß. Mama muss das auch immer machen.«
»Und unsere Mama auch«, riefen Pennys Söhne im Chor.
Linnet lachte, breitete die Arme aus und schaffte es, alle Kinder gleichzeitig zu umarmen. Ein paar Sekunden lang wiegte sie die Kinder hin und her, einen Arm voller warmer, vertrauensseliger, energiegeladener kleiner Menschen; kleine Menschen, die lachten und kicherten ... dann ließ sie sie los - langsam.
Und langsam richtete sie sich auf, starrte geistesabwesend quer durch das Zimmer, blinzelte und drehte den Kopf, um nach draußen blicken zu können.
»Seht mal ... Ist das etwa ein Ruderboot da draußen? Oder ein Fischerboot?«
Die Kinder drehten sich zum Fenster zurück, knieten sich hin, um besser hinausspähen
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