Eine stuermische Braut
sie irgendeinen Mann gewollt; und doch, ihn wollte sie, verzehrte sich vor Sehnsucht danach, ihn an ihrer Seite zu halten, und das nicht nur wegen der offenkundigen körperlichen Vorzüge. Lust spielte natürlich eine Rolle, aber darin ging ihr Verlangen keineswegs auf. Die Aussicht darauf, einen starken, zuverlässigen und ehrenwerten Mann an ihrer Seite zu haben, einen, der ihr den Rücken stärkte, anstatt ihr den Weg zu versperren, der ihr half, welche Hilfe auch immer sie gerade brauchte - auf dem Anwesen, bei ihren Mündeln, die größer und älter wurden -, das war eine unglaubliche Verlockung.
Kameradschaftliche Begleitung auf eine Weise, wie sie sie noch nie gehabt hatte. Genug, um die Einsamkeit aus ihrem Privatleben zu verscheuchen. Ein Mann, der sie sogar noch besser verstand als ihr Vater - der zwar ihre ungestüme Art, ihren Hang zu Herausforderungen und ihr abenteuerliches Herz geliebt, nicht aber ihren Drang verstanden hatte, auf gefühlsmäßiger Ebene ebenso zu wachsen und geschützt zu werden wie auf körperlicher Ebene.
Aber vor allem würde sie einen Mann bekommen, dem sie ihr Leben und das derjenigen, um die sie sich kümmerte, anvertrauen konnte.
Logan hatte all das zu bieten, schien all das in ihr zu erfassen - alles an ihr. Mit ihm würde sie vielleicht sogar ihr eigenes Kind haben können. Das war ein tief in ihr verankertes Bedürfnis, welches sie vor so vielen Jahren in sich begraben hatte, dass es eigentlich erstickt sein müsste. Aber stattdessen gab es nun ihn, und jetzt lockte die Aussicht darauf. Eigentlich hatte sie entdecken müssen, dass das Verlangen nur noch stärker geworden war. Eindringlicher, zwingender.
Logan bot ihr all das, was für eine Beziehung entscheidend war, bot ihr genau die Liebe, von der sie vor Jahren resigniert befürchtet hatte, wohl auf sie verzichten zu müssen.
Eine berauschende Verlockung, eine verzehrende Sehnsucht.
Und doch, genau dagegen richteten sich ihre Vorbehalte. Ihre fortwährende Angst, nicht die gesellschaftlich angemessene Frau zu sein, ganz gleich, was alle anderen sagten. Nicht in der Lage zu sein, seinen Ansprüchen und schließlich auch den Erwartungen gerecht zu werden oder sich in der Gesellschaft angemessen verhalten zu können. Er hatte ihr zwar erklärt, dass sie genau das war, was er wollte, hatte ihr versichert, dass alle anderen Ansprüche keine Rolle spielten, aber trotzdem war sie noch nicht ganz überzeugt. Das war allerdings die eher geringere Hürde.
Die größere, zu deren Überwindung sie keinen einfachen Weg sah, bestand in der Notwendigkeit, mit ihm in Glenluce zu leben. In Schottland. Allgemein lief die Sache so, wenn es auch nahezu unmöglich war, Mon Cœur zu verlassen. Aber wenn sie aufrichtig war, konnte sie es sich noch nicht einmal vorstellen.
Er war der Sohn eines Earls. Er würde Bindungen haben, tief wurzelnde Bindungen, mit Ländereien, mit einem Anwesen irgendwo. Das war der Typ Mann, zu dem er gehörte. Sein Verantwortungsbewusstsein musste irgendwo einen Anker haben, eine Art Quelle oder irgendeinen festen Platz, der ihm wirklich etwas bedeutete. Sein Heim.
Nur konnte sie unmöglich ihr Heim verlassen und in seins ziehen. Und trotz seines Verlangens, sie zu heiraten, konnte sie in ihm nicht den Mann entdecken, der alle Verbindungen zu seinem Heim abreißen ließ, diesem glücklich den Rücken zukehrte, um mit ihr auf Mon Cœur zu leben.
In einem Leben, wie er oder sie es führten, gab es ein Element, auf das es ankam - einen Ort zu haben, an den man gehörte, Wurzeln, ein Zuhause. Ungeachtet dessen, wie sehr er sie begehrte, konnte sie nicht erkennen, dass dieses Begehren ausreichte, um das Bedürfnis nach seinem Heim zu übertrumpfen.
Blinzelnd konzentrierte sie den Blick wieder auf den grauen Tag draußen und spürte, wie die betäubende Langeweile ihr bis ins Mark drang.
Die Kutsche rumpelte weiter.
Bis schließlich die Turmspitzen von Oxford über dem fleckigen Braun der kahlen Äste auftauchten.
Sie rutschte unruhig auf ihrem Sitz hin und her und rief sich ihren früheren Entschluss ins Gedächtnis, dass sie sich mit dem zufriedengeben würde, was er ihr anbot. Ganz gleich, wie lange ihre Affäre dauern würde, sie würde sich ihr hingeben, sich ihm so ergeben, wie er sich ihr ergab. Alles würde sie nehmen und ihre Erinnerungen speichern, bis er am Ende seines Auftrags die Schwierigkeiten erkennen würde - bis auch er sich vor der unüberwindbaren Hürde sah, die sie selbst bereits erkannt
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