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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dies das Auge, in das Professor Bohne in Münster die Hornhautscheibe eingesetzt hatte, die sich wieder trübte. Nun mußte sie mit dem Trepan wieder ausgestanzt werden, ein wenig größer als das andere Auge, was Professor Siri zu heißen süditalienischen Flüchen hinriß.
    »Daran hätten Sie auch denken müssen, Sie Stümper!« schrie er Dr. Saviano an. »Nun läuft die Frau mit verschieden großen Hornhautfenstern herum! Madonna mia! Um sich schlagen sollte man über soviel Idiotie! Sie wußten doch, daß wir am anderen Auge ein größeres Fenster brauchten! Warum haben Sie das erste Fenster nicht gleichgroß gemacht? Zum Kotzen ist es! Jawohl, zum Kotzen!«
    Dr. Saviano schwieg. Der Wortschwall brauste über ihn hinweg und lief an ihm ab wie Wasser am Wachstuch. Es war ein Fehler Professor Siris, aber niemals hätte es jemand gewagt, es ihm zu sagen. Siri wußte es selbst, aber sein Cäsarentum ließ es nicht zu, Eingeständnisse zu machen. So tobte er sich aus und entlud allen Groll gegen sich selbst auf das Haupt Dr. Savianos.
    Nach der Operation zeigte es sich, daß der Unterschied kaum merkbar war. Nur ein ganz genau Hinblickender konnte sehen, daß die Hornhautscheibchen nicht gleich groß waren.
    »Was heißt das?!« schrie Professor Siri. »Wenn ich eine Narbe am Hintern habe, sieht sie auch keiner … aber sie ist da! Solche blöden Redereien –«
    Es war der letzte Wasserfall, der sich über Saviano ergoß. Dann kam die Minute, in der Luise auch mit dem anderen Auge Licht und Schatten unterscheiden konnte und Professor Siri um den Hals fiel und ihn küßte. Beim Vergleich der beiden Hornhautfenster mußte Siri zugeben, daß aller Streit um die verschiedene Größe nutzlose Zeitverschwendung wäre.
    »Da haben Sie aber Glück gehabt, Giulio«, sagte er brummend. »Verdammtes Glück.«
    »Danke, professore …«
    »Wofür?«
    »Daß wir uns wieder einig sind …«
    Professor Siri stutzte einen Augenblick. Er starrte Dr. Saviano an. Man kann diesem Bengel nichts übelnehmen, dachte er. Er ist ein hervorragender Chirurg, mein bester Schüler, mein Nachfolger sicherlich … Wortlos rannte er hinaus und schlug nur die Tür kräftig hinter sich zu, um zu beweisen, daß er wütend war.
    Am zehnten Tag nach beiden Operationen wurden die beiden Bindehautklappen, die Transplantatschützer, wieder entfernt. Nach dem Einträufeln von Cortison und dem Austupfen mit Tampons saß Luise wie eine Statue vor Professor Siri und sah ihn an.
    »Nun?« fragte er und nickte ihr zu. »Wundern Sie sich, daß ich rote Haare habe?«
    »Sie haben weiße Haare … eine weiße Mähne –« Luise bewegte langsam den Kopf und sah sich um. Sie saß in einem mittelgroßen Zimmer. Vor den Fenstern wiegten sich Pinien in der Sonne, die Marmorstatue eines Apoll stand an der Wand zwischen zwei Fenstern auf einem Sockel. Die Decke des Zimmers war gewölbt und mit Malereien und vergoldetem Stuck verziert. Langsam, als habe sie Blei statt Blut in den Adern erhob sich Luise und ging ein paar Schritte zu einem zierlichen Intarsientisch. Dort stand eine venezianische Glasvase mit einigen Rosen. Sie nahm eine Rose heraus, umfing die Blüte mit beiden Händen und hielt sie vor ihre Augen. Ein Lächeln grenzenloser Seligkeit überzog ihr schmal gewordenes Gesicht.
    »Sie ist rot …«, sagte sie leise und mit der Innigkeit eines Gebetes. »Sie ist rot und hat dünne gelbe Streifen … Ich sehe, daß sie rot ist … Ich sehe … ich sehe …«
    »Nun gehört die Welt wieder Ihnen, signora«, sagte Professor Siri etwas heiser. »Sie können zurück ins Leben –«
    Luise senkte den Kopf. Sie drückte die Rose an sich, auf ihre vom ungewohnten Licht tränenden und brennenden Augen.
    »Die Welt ist wunderbar –«, sagte sie ergriffen. »Die ganze Welt ist ein Wunder –«
    *
    Noch eine Woche mußte Luise Dahlmann in der Clínica St. Anna bleiben, um die Nachbehandlung nicht zu unterbrechen. Für Dr. Ronnefeld arbeitete Dr. Saviano einen genauen Behandlungsplan aus, ebenfalls eine Untersuchungstabelle für die Klinik in Münster, in der sich Luise nach neun Monaten noch einmal genau untersuchen lassen mußte.
    Professor Siri hatte sich verabschiedet und war verreist. Er war nach San Franzisko geflogen, wo er auf einem Kongreß für moderne Chirurgie sprechen sollte. Außerdem wollte er die berühmte New Yorker ›Augenbank‹ besuchen, jenes Mekka der Blinden, das am 1. Mai 1945 gegründet wurde und heute neben über fünfzehntausend gelungenen

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