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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Leben jetzt sinnlos. Er allein gibt mir Kraft und wirkliche Liebe –«
    Dr. Kutscher schluckte mehrmals. Er vermied es, Dahlmann anzusehen, aber er ballte die Fäuste, als Dahlmann aus seiner Blumenecke mit bebender Stimme »Luiserl … mein Liebes …« sagte. Man sollte dazwischenschreien, dachte er. Man sollte die Wahrheit hinausbrüllen! Sie ist ja nicht nur äußerlich blind, sie ist auch innerlich ohne den Blick für die Wirklichkeit.
    »Ich möchte Sie bitten, Dr. Kutscher«, sagte Luise weiter, »mit einem Notar zu besprechen, daß aufgrund meiner Krankheit die letzten Verfügungen meines Vaters gegenstandslos gemacht werden. Ich möchte meinen Mann zum Alleinerben einsetzen, nicht nach meinem Tode … schon zu Lebzeiten …«
    Dr. Kutscher hielt den Atem an. Mein Gott, dachte er. O Himmel! Sie diktiert ihr eigenes Todesurteil! Wenn diese Absicht möglich gemacht wird, kann sie sich alle Umwege sparen und sich gleich vor den geöffneten Gashahn setzen. Er wandte sich zurück und sah zur Blumenecke. Ernst Dahlmann stand, eingerahmt von Blüten, im Rot der Abendsonne und lächelte zufrieden. Er schwieg, aber im Vorwölben der Unterlippe erkannte Dr. Kutscher, daß er angestrengt nachdachte und daß sein Lächeln der Ausdruck größter Gefahr war.
    »Sie … Sie handeln sehr impulsiv, gnädige Frau …«, sagte Dr. Kutscher stockend.
    »O nein, ich habe das alles reiflich überlegt. Was meinst du dazu, Ernsti …?«
    »Ich bin sprachlos vor Erschütterung.« Dahlmanns Stimme bebte wirklich. »So darfst du nie sprechen, Luiserl. Es klingt, als habest du alle Hoffnung auf eine Besserung aufgegeben. Das darfst du nicht. Du mußt immer daran glauben, daß es einmal anders wird … daß du wieder sehen kannst, daß deine Nerven sich beruhigen –«
    Jetzt wäre es Zeit, ihm eine herunterzuhauen, dachte Dr. Kutscher. Man sollte ihn hochheben und durch das Blumenfenster auf die Straße werfen, wie eine eklige Spinne, die man mit dem Besen aus dem Fenster schüttelt.
    Luise wandte den Kopf zu Dr. Kutscher.
    »Hören Sie, wie lieb er zu mir ist?« Sie lächelte wie in höchstem Glück. »Soll man diese Liebe nicht belohnen?«
    Dr. Kutscher schwieg verbissen.
    »Wollen Sie mit einem Notar sprechen?«
    »Vielleicht sollte man das alles noch einmal durchdenken –«
    »Warum? Mein Mann hat bisher im Schatten gestanden. Ich weiß es. Er hat sich nie beschwert, aber ich habe es ihm angesehen. Ich konnte es nie ändern, denn die Bestimmungen meines Vaters sind zu präzisiert. Mein körperlicher und seelischer Zustand aber schafft andere Voraussetzungen, die im Testament nicht vorgesehen waren. Nur möchte auch ich eine Einschränkung machen –«
    Ernst Dahlmann hob interessiert die Augenbrauen. Dr. Kutscher ahnte nichts Gutes und legte die Finger aneinander.
    »Ja –«, sagte er, als Luise zögerte.
    »Sollte ich ein Kind bekommen, so erhält dieses drei Viertel des gesamten Hortenbesitzes. Ein Viertel bleibt als Altersrente bei meinem Mann … es ist genug, seinen Lebensabend zu sichern, ohne einmal von seinem Kind und dessen Launen abhängig zu sein.«
    Dr. Kutscher nickte schweigend. Gebe Gott, daß in den kommenden Wochen nicht diese Möglichkeit in Betracht kommt, dachte er. Wie unter einer Explosion schrak er zusammen, als Dahlmann plötzlich in die Stille hinein sprach. Wie ist es möglich, dachte Dr. Kutscher, daß ich, der Hartgesottene, auf einmal Nerven habe?!
    »Ich kann das nicht annehmen. Luiserl … Ich war immer glücklich mit dir … ich will nicht, daß du denkst, ich hätte mich jemals unwohl gefühlt –«
    »Trotzdem.« Luise hob den Kopf und lauschte. »Ich weiß … es bleibt mir nicht viel Zeit. Da … da ist es wieder … das klopfen … Tack – tack – tack –«
    Dr. Kutscher schnellte aus seinem Sessel hoch. Auch Ernst Dahlmanns Kopf zuckte nach vorn, wie bei einem Geier, der auf seine Beute stößt. Beide sahen gleichzeitig auf den Bücherschrank … das Gerät stand still.
    »Was … was hören Sie, gnädige Frau?« fragte Dr. Kutscher heiser vor Erregung.
    »Klopfen, Ticken, Knacken … rhythmisch … immer wieder … eintönig … alle zwei Sekunden … Wie Hammerschläge auf meinen Kopf ist es. Es dröhnt und dröhnt und dröhnt …«
    »Aber es ist nichts, gar nichts zu hören!« rief Dr. Kutscher fast verzweifelt.
    »Ich weiß es. Nur in meinem Kopf ist es …« Luise hielt sich die Ohren zu und neigte den Kopf nach vorn. »Bitte, sprechen Sie mit einem Notar … bitte schnell

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