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Eine Sündige Nacht

Titel: Eine Sündige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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würde nicht um Roscoe Lancasters Seele beten und schon gar nicht um sie weinen. Er hatte nicht nur sie zutiefst verletzt, sondern auch den einzigen Mann, den sie je geliebt hatte. In ihrem Herzen gab es für eine solch tiefgreifende Gemeinheit keine Vergebung.
    »Das ist Gott sei Dank vorüber«, sagte Rink und ließ sich auf den Rücksitz fallen, nachdem er dem Priester das letzte Mal die Hand geschüttelt hatte.
    Aber es war noch nicht vorbei. Den ganzen Nachmittag über war The Retreat überfüllt mit Menschen, die angeblich dort waren, um den Hinterbliebenen von Roscoe ihr Beileid auszusprechen. Caroline dachte bei sich, dass die meisten eher aus Neugier gekommen waren. Wollten sie vielleicht sehen, was sie an Marlena Winston Lancasters Haus verändert hatte? Sie hatte den Eindruck, dass die meisten darüber enttäuscht waren, dass alles gleich geblieben war. Hatten sie scharlachrote Tapeten und Lampenschirme mit Fransen erwartet?
    Sie waren unersättlich in ihrer Neugier auf Rink und sein Leben in Atlanta. Er wurde aufs Kleinste über sein Unternehmen ausgefragt, über sein Privatleben, was er in all den Jahren getan hatte, als er nicht zu Hause war, und was er für die Zukunft plante. Geschickt wand er sich aus diesen heiklen Verhören heraus.
    Gleichermaßen galt ihre Neugier Caroline. Von ihrem
Platz aus, auf dem sie in finsterer Würde residierte, beobachtete sie, wie die Gäste sie heimlich betrachteten, und fragte sich, was sie wohl erwarteten. Hatten sie vermutet, sie würde etwas anderes als ein einfaches schwarzes Kleid tragen? Erwarteten sie, dass sie unbeherrscht weinte? Oder sollte sie vielleicht lachen, weil ihr reicher, alter Mann gestorben ist? So, wie das Haus die Gäste enttäuscht hatte, spürte Caroline, dass sie selbst sie auch enttäuschte. Das Dawson-Mädchen hatte ihnen nichts geboten, worüber sie später reden konnten.
    Endlich verabschiedeten sich die Trauergäste, und das Haus war wieder leer. Lange Abendschatten fielen in Streifen durch die Fensterläden auf den Hartholzboden. Mrs. Haney räumte schmutzige Gläser, Papierservietten und gefüllte Aschenbecher weg.
    »Wer möchte etwas essen?«
    »Ich nicht, danke, Mrs. Haney«, sagte Caroline halbherzig.
    »Nein, danke.« Rink schenkte sich einen Schluck Bourbon in ein Whiskyglas. »Gehen Sie ruhig zu Bett, Mrs. Haney. Es war ein langer Tag für Sie.«
    Sie wuchtete das beladene Tablett hoch. »Sobald ich diese Sachen abgewaschen habe, werde ich dich beim Wort nehmen. Brauchen Sie noch irgendetwas, Caroline?«
    Caroline lächelte sie dankbar an und schüttelte den Kopf. »Gute Nacht, Mrs. Haney.«
    »Sollte jemand der Hunger überfallen, der Kühlschrank ist gestopft voll. Gute Nacht.«
    Sie ließ die beiden allein im Wohnzimmer zurück. Caroline lehnte ihren Kopf an das Sofakissen, schloss die Augen und massierte ihre Schläfen. Sie öffnete den obersten Knopf
ihres Kleides und schlüpfte mit einem Seufzer der Erleichterung aus ihren Schuhen.
    Rink hatte das Jackett des schwarzen Anzuges ausgezogen und seine Hemdsärmel aufgekrempelt. Nun stand er an einem der hohen Fenster. Eine Hand steckte in seiner Hosentasche, die andere führte in Abständen das Glas zu seinem Mund. Sie waren zum ersten Mal allein, seit sie gemeinsam vor zwei Nächten das Krankenhaus verlassen hatten. Es schien, als ob sie sich noch immer nichts zu sagen hatten.
    Caroline öffnete langsam ihre Augen und sah ihn prüfend an. Das Schwarz seiner Haare stand farblich in starkem Kontrast zu seinem weißen Hemdkragen. Sie betrachtete seine breiten Schultern und ließ ihren Blick langsam über den schmaler werdenden Rücken, über dem er eine Weste trug, bis zu seiner Taille gleiten. Unter der maßgeschneiderten Hose zeichnete sich sein schmaler, fester Hintern ab, seine langen Schenkel waren hart und schlank. Sie wollte nichts lieber in der Welt, als zu ihm zu gehen. Sie konnte es beinahe spüren, wie sie die Arme um seinen straffen Körper legte und ihre Hände sich auf seinen flachen, muskulösen Bauch legten. Ihre Brüste schmerzten vor Sehnsucht, sie wollten sich an seinen starken Rücken schmiegen. Sie sehnte sich danach, ihre Wange an seine Schulter zu legen und seinen Duft einzuatmen, jede kleinste Nuance davon.
    Ihre Beobachtungen wurden unterbrochen, als sein Körper sich anspannte und sie ein gemurmeltes »Was zum Teufel?« von ihm hörte, bevor er sein Glas donnernd auf dem antiken Sideboard abstellte und mit verzerrtem Gesicht aus dem Zimmer raste.

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