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Eine Tiefe Am Himmel

Eine Tiefe Am Himmel

Titel: Eine Tiefe Am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
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wandte sich für ein paar Minuten wieder seiner kniffligen Arbeit an dem Modell zu, wobei ein Teil von ihm sie beobachtete, ein Teil das Muster von Stangen und Verbindungsstücken studierte, das unter seinen Händen entstand, und ein Teil nach draußen über Weißenberg hinweg nach dem Anflug von Schnee auf den nahe gelegenen Bergketten schaute. Von all ihren Geschwistern war er derjenige, der eigentlich nicht hinaus wollte. Andererseits war er der Einzige, den sie an diesem Morgen finden konnte, und er sah sogar noch erwachsener als Jirlib aus.
    Nach einer Weile sagte er: »Gut, in Ordnung, wenn du das willst.« Viktoria grinste in sich hinein – als ob am Ausgang jemals zu zweifeln gewesen wäre. An Hauptmann Niederer vorbei zu kommen, würde schwieriger sein – aber nicht viel schwieriger.
     
    Es war früh am Morgen. Das Sonnenlicht hatte die Straßen unterhalb des Berghauses noch nicht erreicht. Viktoria kostete jeden Atemzug aus, das leichte Stechen, das sie seitlich in der Brust spürte, als sie die frostige Luft schmeckte. Die Heißblüten und Waldelfen hingen noch dicht zusammengeballt in den Baumästen; heute würden sie vielleicht gar nicht hervorkommen. Doch es gab andere Dinge ringsum, Dinge, von denen sie bisher nur gelesen hatte. Im Schnee der kältesten Höhlungen krochen langsam Kristallwürmer hervor. Diese tapferen kleinen Vorkämpfer würden sich nicht lange halten – Viki erinnerte sich an die Radiosendung, die sie voriges Jahr über sie gemacht hatte. Diese Kleinen würden immer wieder sterben, ausgenommen an den Stellen, wo die Kälte ausreichte, sich den ganzen Tag über zu halten. Und selbst dann musste es noch viel kälter werden, ehe sich die Form mit Wurzeln zeigte.
    Viki huschte munter durch die morgendliche Kälte und blieb mühelos neben ihrem Bruder mit seinen langsamen, längeren Schritten. So früh war kaum jemand auf der Straße. Abgesehen vom Klang ferner Bauarbeiten konnte sie sich fast vorstellen, sie wären ganz allein, die Stadt sei verlassen. Man stelle sich vor, wie es in den kommenden Jahren sein würde, wenn die Kälte blieb und sie nur so hinausgehen konnten, wie es Papa im Krieg mit den Bassern getan hatte. Den ganzen Weg bis zum Fuß des Hügels baute Viki die Idee aus, wendete jeden Anblick des frostigen Morgens ins Phantastische. Brent hörte zu und machte ab und zu einen Vorschlag, der die meisten erwachsenen Freunde Papas überrascht hätte. Brent war durchaus nicht so dumm, und er hatte Vorstellungskraft.
     
    Die Zackenberge lagen dreißig Meilen entfernt, jenseits vom hohen Schloss des Königs, jenseits des anderen Endes von Weißenberg. Sie konnten unmöglich zu Fuß dorthin gehen. Doch heute wollten viele Leute zu den nahen Bergen reisen. Der Erste Schnee bedeutete in jedem Land ein ansehnliches Fest, obwohl er natürlich zu unterschiedlichen und nicht vorherzusagenden Zeiten eintraf. Viki wusste, dass, wenn der frühe Schnee vorhergesagt worden wäre, Papa früh aufgestanden wäre und Mama vielleicht vom Landeskommando herübergeflogen wäre. Der Ausflug wäre eine große Familienangelegenheit gewesen – aber kein bisschen abenteuerlich.
    Eine Art Abenteuer begann am Fuße des Hügels. Brent war jetzt sechzehn und groß für sein Alter. Er konnte als Rechtzeitling durchgehen. Er war schon oft genug allein außer Haus gewesen. Er sagte, er wisse, wo die Expressbusse hielten. Heute gab es keine Busse und überhaupt kaum Verkehr. Waren alle schon fort zu den Bergen?
    Brent marschierte von einer Bushaltestelle zur anderen und wurde allmählich immer aufgeregter. Viki blieb schweigend an seiner Seite und machte mal keine Vorschläge. Brent wurde oft genug geduckt, sodass er selten behauptete, irgendetwas zu wissen. Es tat weh, wenn er sich schließlich vernehmen ließ – und sei es einer kleinen Schwester gegenüber – und sich dann als im Irrtum erwies. Nach dem dritten Fehlstart hockte er sich knapp über dem Boden hin. Einen Moment lang glaubte Viki, er würde darauf warten, dass ein Bus vorbeikäme – für Viki eine ausgesprochen unangenehme Möglichkeit. Sie waren seit über einer Stunde draußen und hatten noch nicht einmal einen kleinen Stadtbus gesehen. Vielleicht würde sie ihre spitzen kleinen Hände in das Problem stecken müssen… Doch nach einer Minute stand Brent auf und ging, über die Straße. »Ich wette, die Tiefbauer haben heute nicht frei bekommen. Das ist nur eine Meile südlich von hier. Von dort gehen immer Busse.«
    Ha. Das war genau

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