Eine Tiefe Am Himmel
Regal hervor; knapp außerhalb ihrer Reichweite lag eine kurzläufige Schrotflinte.
Dann kehrte die Zeit zurück. Viki wurde grob um die Mitte gepackt und von der Zerstörung weggezerrt. Auf der anderen Seite ihres Entführers hörte sie Gokna und Jirlib rufen. Es gab einen dumpfen Schlag. Gokna kreischte und Jirlib verstummte.
»Gruppenführer, was ist…?«
»Egal. Wir haben alle sechs kassiert. Macht los! Los!«
Während sie aus dem Saal getragen wurde, erhaschte Viki einen einzigen Blick zurück. Aber die Fremden verließen ihre beiden toten Kumpel – und sie konnte nicht hinter das umgestürzte Regal sehen, wo die Suabismes sein mussten.
NEUNUNDZWANZIG
Es war ein Nachmittag, den Hrunkner Unnerbei niemals vergessen sollte. In all den Jahren, seit er Viktoria Schmid kannte, war es das erste Mal, dass er sie beinahe die Beherrschung verlieren sah. Kurz nach Mittag war der hektische Ruf über die Mikrowellen-Verbindung gekommen, als Scherkaner Unterberg mit der Meldung von der Entführung alle militärischen Prioritäten durchbrochen hatte. General Schmid hatte Scherkaner von der Verbindung getrennt und ihren Stab zu einer Krisensitzung zusammengeholt. Plötzlich wurde Hrunkner Unnerbei vom Projektleiter zu so etwas wie einem… wie einem Feldwebel. Hrunkner erreichte ihre dreimotorige Maschine auf der Rollbahn. Zusammen mit niederen Chargen des Stabes überprüfte er die Sicherheit des Umfelds. Er würde seinem General nicht erlauben, Risiken einzugehen. Notfälle dieser Art waren genau das, was Feinde gern inszenierten, und wenn man glaubte, nichts außer dem Notfall zähle, dann griffen sie ihre wahren Ziele an.
Die Maschine brauchte keine zwei Stunden vom Landeskommando bis nach Weißenberg. Doch das Flugzeug war keine fliegende Befehlszentrale, derlei überstieg die gegenwärtigen finanziellen Möglichkeiten. Die Generalin musste also zwei Stunden mit einer langsamen Funkverbindung auskommen. Das waren die zwei Stunden abseits von der Befehls- und Kontrollzentrale im Landeskommando und ihrem beinahe gleichwertigen Gegenstück in Weißenberg. Zwei Stunden fragmentarische Berichte hören und versuchen, eine Reaktion zu koordinieren. Zwei Stunden, in denen Trauer und Wut und Ungewissheit an ihnen nagen konnten. Es war mittlerer Nachmittag, als sie landeten, und eine halbe Stunde später erreichten sie das Berghaus.
Ihr Wagen hatte kaum gehalten, als Scherkaner Unterberg die Türen öffnete und sie herauswinkte. Er fasste Unnerbei am Arm und sagte um ihn herum zur Generalin. »Danke, dass du Hrunkner mitgebracht hast. Ich brauche euch beide.« Und er führte sie durchs Foyer hinab in seinen Bau im Erdgeschoss.
Im Laufe der Jahre hatte Unnerbei Scherkaner in verschiedenen kniffligen Situationen erlebt: wie er sich mitten im Basser-Krieg ins Landeskommando hineinredete, wie er eine Expedition mitten durchs Vakuum des Tiefsten Dunkels geleitete, wie er mit Traditionalisten debattierte. Scherk gewann nicht immer, aber immer war er voller Überraschungen und Phantasie. Alles war ein großartiges Experiment und ein wunderbares Abenteuer. Selbst wenn er keinen Erfolg hatte, sah er, wie der Misserfolg zu neuen interessanten Experimenten führen würde. Heute aber… heute war Scherkaner der Verzweiflung begegnet. Er streckte die Hand nach Schmid aus, das Zittern in seinem Kopf und seinen Armen war stärker denn je. »Es muss eine Möglichkeit geben, sie zu finden. Es muss. Ich habe Computer, ich habe Mikrowellenverbindung zum Landeskommando.« All die Mittel, die ihm in der Vergangenheit so gute Dienste geleistet hatten. »Ich kann sie sicher zurückkriegen. Ich weiß, dass ich es kann.«
Schmid stand einen Augenblick lang sehr still da. Dann trat sie nahe an ihn heran, legte Scherk einen Arm um die Schultern, streichelte sein Fell. Ihre Stimme war weich und fest, fast wie bei einem Soldaten, der einen anderen über den Tod von Kameraden tröstet. »Nein, Lieber. Du kannst nur dein Möglichstes tun.« Draußen ging der Nachmittag der Dämmerung entgegen. Ein dünnes Pfeifen des Windes war durch die halboffenen Fenster zu hören, und die Farne strichen über die Quarzscheiben hin und her. Ein dunkles grünes Glühen war alles, was durch die Wolken und Gewächse hereindrang.
Die Generalin stand da, den Kopf nahe an Scherkaners Kopf, und die beiden starrten einander nur an. Fast konnte Unnerbei spüren, wie zwischen den beiden Scham und Furcht hin und her fluteten. Dann stürzte Scherkaner plötzlich
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