Eine Tiefe Am Himmel
als Taxi dienen sollte. Die Ausweich-Rollbahnen waren von Bauarbeiten aufgerissen, eine kraterähnliche Grube alle dreißig Meter. Ende des Jahres würden alle Versorgungsmaßnahmen ausgeführt werden, ohne dass jemand an die Oberfläche kam. Letzten Endes würden diese Anlagen neue Typen von Flugmaschinen unterstützen müssen, und das in einer Kälte, bei der die Luft gefror.
Viki setzte ihn bei seiner Maschine ab. Sie hatte nicht gesagt, wohin sie diesen Abend unterwegs waren. Unnerbei fand das angenehm. So fremd ihr ihre gegenwärtige Situation auch sein mochte, so wusste sie doch wenigstens den Mund zu halten.
Sie folgte ihm hinaus in den Frost. Es wehte kein Wind, also riskierte er es, ohne den Lufterhitzer zu gehen. Jeder Atemzug brannte. Es war so kalt, dass er Wolken von Reif um die ungeschützten Gelenke seiner Hände sah.
Vielleicht war Viki zu jung und zu stark, um es zu bemerken. Sie marschierte die zehn Meter bis zu seinem Flugzeug und redete pausenlos. Wären da nicht all die düsteren Omen gewesen, die dieser Besuch zum Vorschein gebracht hatte, wäre es eine ungetrübte Freude gewesen, Viki zu sehen. Selbst als Unzeitlerin hatte sie sich so schön entwickelt, eine wunderbare Verkörperung ihrer Mutter – wobei Schmids Schärfe von dem gemildert wurde, was Scherkaner zu seinen besten Zeiten gewesen war. Verdammt, vielleicht lag es teilweise daran, dass sie außer der Zeit war. Der Gedanke ließ ihn beinahe mitten auf der Rollbahn innehalten. Aber ja, Viki hatte ihr ganzes Leben außerhalb des normalen Rhythmus verbracht, die Dinge aus einem neuen Blickwinkel gesehen. Auf eine sonderbare Weise schrumpften, wenn er sie betrachtete, alle seine Bedenken über die Zukunft.
Viki trat beiseite, als sie den Wetterschutz bei seinem Flugzeug erreichten. Sie straffte sich und salutierte zackig. Unnerbei erwiderte die Geste. Und dann sah er ihr Namensschild.
»Was für ein interessanter Name, Leutnant. Kein Beruf, keine längst aufgegebene Tiefe. Wo…?«
»Nun, keiner von meinen Eltern ist ein Schmied. Und niemand weiß, von welchem ›Unterberg‹ Papas Familie herstammen könnte. Aber wenn du hinter dich schaust…« Sie zeigte.
Hinter ihnen erstreckten sich Hunderte von Metern Flächen und Bauten, bis hin zum Flughafengebäude. Aber Viki zeigte höher, über das Flachland des Flusstales hinaus. Die Lichter von Weißenberg wölbten sich zum Horizont hin, von glitzernden Türmen bis zu den Vorstadthügeln.
»Schau ungefähr fünf Grad rechts hinten neben dem Rundfunkturm. Sogar von hier aus kann man es sehen.« Sie zeigte zum Unterberg-Haus. Es war das hellste Ding in dieser Richtung, ein Turm von Licht in allen Farben, die moderne Fluoreszenzlampen hervorbringen konnten.
»Papa hat gut geplant. Wir mussten an dem Haus fast nichts ändern. Selbst wenn die Luft gefroren ist, wird sein Licht noch dort oben auf dem Hügel sein. Du weißt, was Papa sagt: Wir können hinab und nach innen gehen – oder auf den Höhen stehen und hinausgreifen. Ich bin froh, dass ich dort aufgewachsen bin, und ich möchte, dass dieser Ort mein Name ist.«
Sie hob ihr Schild an, sodass es im Lichte der Flugzeugscheinwerfer funkelte. LEUTNANT VIKTORIA LICHTBERG. »Keine Sorge, Feldwebel. Was du und Papa und Mutter begonnen haben, wird lange Zeit halten.«
SECHSUNDVIERZIG
Belga Untersiedel hatte das Landeskommando allmählich etwas satt. Sie schien fast zehn Prozent der Zeit hier unten zu sein – und es wäre viel mehr, würde sie nicht ausgiebig die Telekommunikation nutzen. Oberst Untersiedel war seit 60//15 die Chefin des Landesschutzes und des Inlands-Geheimdienstes, über die Hälfte der vergangenen Hellzeit. Es war eine Binsenweisheit – zumindest in der neuen Zeit –, dass mit dem Ende der Helle die blutigsten Kriege begannen. Sie hatte erwartet, dass es hart zugehen würde, aber doch nicht so.
Untersiedel kam früh zur Stabsbesprechung. Sie war nervös wegen dessen, was sie vorhatte; sie hatte nicht die Absicht, die Chefin zu verärgern, aber genau danach konnte ihr Antrag aussehen. Rachner Thrakt war schon da und bereitete seinen eigenen Auftritt vor. Körnige Aufklärungsfotos in Zehn-Farben-Technik wurden an die Wand hinter ihm projiziert. Anscheinend hatte er weitere Startrampen der Südländer gefunden – weitere Indizien für die Unterstützung der Sinnesgleichen für ›die potenziellen Opfer der Heimtücke von Einklang‹. Thrakt nickte zivil, als sie und ihre Adjutanten sich setzten. Es hatte
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