Eine Tiefe Am Himmel
jener schrecklichen Besprechung im Landeskommando waren vier Tage vergangen, aber Thrakt hatte fast ein Jahr lang gesehen, wie sich sein Sturz anbahnte. Als es ihn schließlich ereilte… war es solch eine Erleichterung gewesen, abgesehen von dem unglücklichen Detail, dass er es überlebt hatte, ein lebendes Gespenst.
Offiziere der alten Schule, insbesondere Basser, hätten sich nach solcher Schande enthauptet. Rachner Thrakt war zur Hälfte Basser, doch er hatte sich nicht mit einer beschwerten Klinge den Kopf abgeschnitten. Vielmehr hatte er sein Gehirn betäubt, indem er fünf Tage lang pausenlos Sprussel trank und sich dabei durch die Vergnügungsviertel rund um Calorica vorarbeitete. Ein Idiot bis zum bitteren Ende. Calorica war der einzige Ort auf der Welt, wo es zu warm war, um ins Sprusselkoma zu fallen.
Also hatte er die Berichte gehört, dass jemand – Schmid, es musste Schmid sein – nach Südende flog, versuchte, etwas von dem zu retten, was Rachner vertan hatte. Während die Stunden bis zu Schmids Ankunft in Südende verstrichen, hatte Rachner mit dem Sprussel eine langsamere Gangart eingeschlagen. Er saß da und starrte die Nachrichtensendungen in den Gaststätten an. Saß da und betete, Viktoria Schmid möge irgendwie Erfolg haben, wo Thrakts Lebensarbeit gescheitert war. Doch er wusste, dass sie versagen würde. Niemand glaubte ihm, und sogar Rachner kannte nicht das Wie und Warum. Doch er war sich sicher: Etwas stand hinter den Sinnesgleichen. Nicht einmal die Sinnesgleichen wussten davon, aber es war da, wendete jeden technischen Vorteil des Einklangs gegen ihn selbst.
Auf den Mehrfachbildschirmen, live aus Südende, ging Schmid durch das Große Tor der Parlamentshalle. Selbst hier, in der wüstesten Kneipe des Vergnügungsviertels, war die Kundschaft auf einmal sehr still. Thrakt legte den Kopf auf die Bar und merkte, wie sein Blick glasig wurde.
Und dann begann sein Telefon zu klingeln. Er hielt es neben den Kopf, starrte es mit interesselosem Unglauben an. Es muss kaputt sein. Oder jemand schickte ihm Werbung. Nichts Wichtiges konnte jemals über dieses ungesicherte Stück Müll kommen.
Er war im Begriff, es auf den Fußboden zu werfen, als ihm der Kupp auf dem nächsten Sitzgitter eins auf den Rücken verpasste. »Verdammter Militärpenner! Verpiss dich!«, schrie er.
Thrakt kam von seinem Gitter hoch, unsicher, ob er der Forderung des anderen nachkommen würde oder die Ehre von Schmid und allen anderen verteidigen würde, die den Frieden zu bewahren versuchten.
Am Ende entschied die Geschäftsleitung den Fall; Thrakt fand sich auf der Straße wieder, abgeschnitten vom Fernsehen, das ihm vielleicht gezeigt hätte, was die Generalin versuchte. Und sein Telefon klingelte immer noch. Er drückte auf ANNAHME und knurrte etwas Unverständliches ins Mikrofon.
»Oberst Thrakt, sind Sie es?« Die Worte waren abgehackt und undeutlich, doch die Stimme klang vage vertraut. »Oberst? Sprechen Sie über eine Sicherheitsleitung?«
Thrakt fluchte laut. »Verdammt noch mal, nein!«
»Oh, Gott sei Dank!«, erklang die fast vertraute Stimme. »Dann haben wir eine Chance. Sicherlich können nicht einmal die sich mit allem leerem Geschwätz der Welt abgeben.«
Die. Die Betonung drang durch Thrakts Kater. Er brachte das Mikrofon dicht an seinen Schlund, und seine nächsten Worte klangen fast locker neugierig. »Wer sind Sie?«
»Entschuldigung, hier ist Obret Nedering. Bitte legen Sie nicht auf. Wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht an mich. Vor fünfzehn Jahren habe ich einen Kurzlehrgang in Fernerkundung gegeben. An der Weißenberg-Uni. Sie haben teilgenommen.«
»Ich… ach ja, ich erinnere mich.« Es war sogar ein ziemlich guter Lehrgang gewesen.
»Ja? Oh, gut, gut! Also werden Sie wissen, dass ich kein Spinner bin. Herr Oberst, ich weiß, wie beschäftigt Sie gerade jetzt sein müssen, aber ich bitte Sie, gewähren Sie mir nur eine Minute von Ihrer Zeit. Bitte.«
Thrakt kamen plötzlich die Straße und die Gebäude rings um ihn zu Bewusstsein. Das Vergnügungsviertel von Calorica erstreckte sich rund um den Boden des Vulkankraters, wohl des wärmsten Ortes, den es an der Oberfläche der Welt noch gab. Doch es war nur eine verblichene Erinnerung an die Zeit, da Calorica die Spielwiese der Superreichen gewesen war. Die Bars und Hotels gingen allmählich ein. Selbst der Schneefall hatte längst aufgehört. Der Schnee, der sich in der Durchfahrt hinter ihm häufte, war zwei Jahre alt, mit Flecken
Weitere Kostenlose Bücher