Eine tödliche Erinnerung (German Edition)
versprochen um 22.00 Uhr hier sein wollte."
Ich konnte ihr versichern, dass es so nicht gewesen sei.
"Er war auch fast jeden Tag unterwegs", überlegte Melissa weiter, "ich frage mich, ob er noch irgend etwas herausgefunden hat. Hat er nichts davon zu Johannes gesagt?"
Mir fiel das Päckchen wieder ein, das er mir von Tobias gegeben hatte. Ich zog es aus meiner Tasche, es war in dunkelblaues Geschenkpapier eingewickelt. Darin befand sich ein Kästchen und als ich es öffnete, wollte ich zuerst meinen Augen nicht trauen. Darin lag ein silbernes Armband mit einer blauen, mit Diamantsplittern besetzten Lilie. Ein Armband, das mir nur allzu bekannt vorkam. Melissa, die mir beim Auspacken zugeschaut hatte, war blass geworden und sagte kein Wort.
"Also ich weiß wirklich nicht, was das zu bedeuten hat", stammelte ich unsicher.
"Aber ich weiß es", stellte Melissa mit Bestimmtheit fest, obwohl ihre Stimme dabei leicht zitterte. "Er hat es mir abgekauft. Für eine Frau, die ihm sehr viel bedeutet, hat er gesagt. Diesmal wirst du es wohl annehmen müssen." Sie drehte den Kopf zur Seite und sah aus als würde sie gleich anfangen zu weinen.
Verdammt, das hatte gerade noch gefehlt! Ich versuchte die Situation irgendwie zu retten. "Melissa, du verstehst das jetzt sicher ganz falsch", setzte ich zu einer Erklärung an.
Zum ersten Mal erlebte ich sie daraufhin richtig wütend. "Nein, ich verstehe völlig richtig", fauchte sie mich an, "hör auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln." Sie stürzte aus dem Zimmer, dann hörte ich sie in der Küche hantieren. Eigentlich hatte sie ja Recht. Wie sollte ich ihr etwas erklären, das ich selbst nicht richtig begriff? Was hatte sich Tobias nur dabei gedacht? Natürlich konnte er nicht ahnen, dass ich das Päckchen in Melissas Gegenwart auspacken würde. Doch warum hatte er ihr etwas von einer anderen Frau erzählt, die ihm viel bedeuten würde? War das eine besondere Masche von ihm, glaubte er sich damit begehrenswerter zu machen? Bei mir hatte es jedenfalls nicht funktioniert. Und Melissa war jetzt ebenfalls sauer.
Ich überlegte, ob ich zu ihr in die Küche gehen sollte, als sie mit zwei Teegläsern in der Hand zurückkehrte. "Entschuldige meine Gereiztheit", sagte sie."Lass uns noch einen Tee zur Beruhigung trinken und dann Schlafen gehen. Es ist schon spät."
Ich hatte keine Lust auf Tee, doch ich war erfreut über die versöhnliche Geste. Der Tee hatte einen intensiven Geschmack nach marokkanischer Minze, der mir diesmal leicht bitter vorkam. Nachdem wir ausgetrunken hatten, ging Melissa in ihr Schlafzimmer und ich streckte mich auf der Couch aus. Wir würden morgen reden, der Tag war anstrengend genug gewesen. Tatsächlich muss ich an diesem Abend ziemlich schnell eingeschlafen sein.
51.
Ich erwachte durch ein unbestimmtes Geräusch und ohne jedes Zeitgefühl. Im Zimmer war es stockdunkel, verschlafen tastete ich nach dem Schalter der Stehlampe neben dem Sofa. Es dauerte eine Weile, bis ich ihn endlich gefunden hatte. Die Lampe tauchte den Raum in gelbliches Licht. Plötzlich hatte ich den Eindruck, als ob sich einer der schweren Vorhänge vor dem Fenster bewegt hätte. Doch gleich darauf schien auch der Fußboden auf mich zuzukommen. Eine Welle der Übelkeit schoss in mir hoch, ich schaffte es gerade noch so ins Bad. Über die Toilettenschüssel gebeugt erbrach ich schwallartig den gesamten Inhalt meines Magens. Ein unangenehm bitterer Minzgeschmack blieb in meinem Mund zurück und veranlasste mich, erneut zu würgen. Diesmal kam nur noch Galle zum Vorschein. Ich fühlte mich schwach, kalter Schweiß bedeckte meine Stirn. Was war bloß mit mir los? Auf dem Flur hörte ich leise Schritte, offenbar hatte ich Melissa geweckt. In nächsten Moment hörte ich, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Das konnte doch nicht sein! Wankend erhob ich mich und griff nach der Klinke. Die Tür war verschlossen, die Schritte hatten sich wieder entfernt.
"Melissa, was soll das, mach die Tür auf!", rief ich, doch es kam keine Antwort. Mein Magen krampfe sich erneut zusammen und plötzlich überfiel mich ein schrecklicher Verdacht. Was waren doch gleich noch einmal die typischen Symptome einer Vergiftung mit Parathion? Übelkeit, Krämpfe, Speichelfluss, Wahrnehmungsstörungen - ich hatte sie alle! Der Raum schien sich um mich zu drehen. Was war ich doch für eine naive Gans gewesen! Ruth hatte mich mehrmals vor Melissa gewarnt, aber ich hatte nicht auf sie hören wollen. Auch die
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