Eine tödliche Erinnerung (German Edition)
Verwandte. Aber beruhige dich, wir finden einen Weg." Mein erster Einfall war es gewesen, mich wieder mal an Gernot Schlüter zu wenden. Das führte tatsächlich schnell zum Erfolg. So erfuhren wir, dass Tobias auf der Intensivstation lag und zumindest außer Lebensgefahr war. Seine Eltern hatte man benachrichtigt und sie befanden sich auf dem Weg ins Krankenhaus.
Am Nachmittag kam Gernot persönlich in der Praxis vorbei und wollte mich sprechen. "Mit diesem Unfall stimmt etwas nicht", sagte er. "Er hat sich nicht etwa in einer Kurve, sondern auf schnurgerader Strecke und bei angemessenem Tempo ereignet. Wir vermuten stark, dass Tobias Wenger von einem anderen Fahrzeug abgedrängt wurde. Im Moment wird sein Wagen noch auf mögliche Spuren untersucht. Kannst du mir sagen, was er gestern vorhatte?"
Ich sagte, dass er sich meines Wissens mit einem Studienkollegen getroffen hätte. Nach allem, was ich mit Tobias erlebt hatte, war ich mir allerdings nicht sicher, ob er nicht auch andere Ziele verfolgt hatte. Doch davon sagte ich lieber nichts.
Gernot hatte dann noch erfreuliche Nachrichten. Tobias war nicht so schwer verletzt, wie man anfangs angenommen hatte. Der Aufprall war nicht frontal, sondern mehr seitlich gegen den Baum erfolgt. Dadurch war vor allem die Beifahrerseite eingedrückt worden. Tobias hatte Knochenbrüche und Prellungen erlitten, doch er war bereits wieder bei Bewusstsein. Gernot kündigte an, morgen mit ihm reden zu wollen, die Ärzte hätten grünes Licht gegeben. Ich war nach diesem Gespräch sehr erleichtert und Melissa war es auch, als ich ihr davon berichtete.
"Ich würde ihn gern besuchen", sagte sie, "aber das ist leider ganz unmöglich, weil seine Eltern dort sind. Es gäbe einen fürchterlichen Eklat, wenn sie mich sehen würden. Sie dürfen ja nicht einmal wissen, dass Tobias wieder Kontakt zu mir aufgenommen hat. Kannst du nicht hingehen und ihn von mir grüßen?"
Ich hatte auch schon daran gedacht, sah da aber ebenfalls gewisse Probleme. Seine Eltern würden bestimmt wissen wollen, woher ich Tobias kenne. Die Wahrheit, dass wir uns über Melissa kennengelernt hatten, konnte ich unter den gegebenen Umständen nicht sagen. Mit einer Lüge aufzuwarten, erschien mir angesichts der dramatischen Situation unangebracht. So kam ich auf die Idee, Johannes um einen Krankenbesuch bei Tobias zu bitten. Auch er war über den Unfall sehr bestürzt gewesen und erklärte sich sofort bereit, Tobias zu besuchen. Ein junger Mann würde zu weniger Nachfragen seitens der Eltern Anlass geben als eine Frau. Tobias würde einfach sagen, sie hätten sich auf einer Veranstaltung kennengelernt und seien seitdem befreundet.
Zu meiner Überraschung bat mich Melissa, bei ihr zu übernachten. Bisher hatte sie erstaunlich gelassen auf alle Ereignisse reagiert, jetzt zeigte sie zum ersten Mal Angst. Ich meinte ihr den Wunsch nicht abschlagen zu können und stimmte zu. Ruth runzelte die Stirn, als ich ihr mitteilte, ich würde für ein paar Nächte bei Melissa schlafen. Sie bestand darauf, Gernot zu informieren, wogegen ich nichts einzuwenden hatte. Ich arbeitete lange an diesem Montag, vieles war liegengeblieben. Erst gegen Abend machte ich mich mit dem Nötigsten versehen auf den Weg zu Melissa.
Sie erwartete mich bereits und wollte zuerst mit mir klären, wo ich schlafen könnte. Zum ersten Mal betrat ich ihr Schlafzimmer und blieb verblüfft stehen. Fast eine ganze Wand des nicht gerade kleinen Raumes wurde von einem gewaltigen Himmelbett eingenommen, das aus den Beständen eines Schlosses zu stammen schien.
"Ich habe es von den Vorbesitzern übernommen, es stand schon da, als ich hier einzog", sagte Melissa auf meinen verwunderten Blick hin.
"Vermutlich hätten sie es hier nicht raus bekommen", mutmaßte ich, "es sieht aus als wäre das Haus um das Bett herum erbaut worden."
Melissa lachte. "Es ist praktischer als es aussieht, man kann es auseinander nehmen. Ich habe es gründlich aufarbeiten und neue Matratzen anfertigen lassen. Es ist super bequem und größer als jedes Doppelbett. Willst du auch hier schlafen, es ist genug Platz?"
Nein, das wollte ich auf keinen Fall und so entschied ich mich für das Sofa im Wohnzimmer. Melissa brachte mir das Bettzeug und weihte mich dann noch in die Besonderheiten des ebenfalls antik anmutenden Badezimmers ein. Die riesig dimensionierte Wanne ruhte auf Löwentatzen und das warme Wasser kam aus einem Boiler. "Du darfst dich auf keinen Fall einschließen", warnte
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