Eine tödliche Erinnerung (German Edition)
herausgefunden. Weil sie komplett unfähig sind. Sonst wüssten sie längst, was ich inzwischen weiß. Ich habe die vergangenen Tage gut genutzt und ein paar Recherchen angestellt."
Tobias beugte sich vor und sah mich eindringlich an, bevor er weitersprach. "Ich bin da auf eine Frau gestoßen, mit der sich die Polizei mal näher befassen sollte, und zwar schleunigst! Es handelt sich um eine Frau Brückner aus Gröbeneck, sie betreibt dort eine Spedition. Diese Dame hat Melissa in den vergangenen Jahren systematisch hinterher geschnüffelt, hat regelmäßig ermittelt, wo sie sich aufhält und was sie so macht und sie war an dem betreffenden Tag der offenen Tür auf Schloss Dahrenried!"
Ich war völlig verblüfft, damit hatte ich nicht gerechnet. Wie war Tobias so schnell auf Frau Brückner gekommen? Woher hatte er all die Informationen über sie? Er wich meinem fragenden Blick mit einem verlegenen Grinsen aus und ich wusste die Antwort. Tobias hatte seine eigenen Methoden. Er musste sich in Frau Brückners Computer gehackt haben. Mir blieb keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn er redete schnell weiter. "Aber das ist noch nicht alles", sagte er, "Melissa ist nicht die einzige junge Frau, für die sich diese Frau Brückner interessiert. Mit ähnlichem Eifer stellt sie nämlich auch noch einer gewissen Anne Niemann nach, ermittelt deren Aufenthaltsorte und sucht nach günstigen Verbindungen dorthin. Ich dachte mir, das könnte ein Ansatzpunkt sein. Ich wollte herausfinden, was Melissa und diese Anne Niemann gemeinsam haben. Sie war zuletzt in der Nähe von Potsdam gemeldet, also bin ich dort hingefahren. Und jetzt kommt der Knaller!" Tobias senkte die Stimme, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. "Anne Niemann ist spurlos verschwunden! Was ich von ihrer ehemaligen Vermieterin über sie erfahren habe, war hochinteressant. Demnach war sie erst vor wenigen Wochen dort angekommen und machte den Eindruck, irgendwie auf der Flucht zu sein. Das hat die Vermieterin genauso ausgedrückt. Sie hatte die möblierte Wohnung nur unter der Bedingung angemietet, sie jederzeit zum Monatsende kündigen zu dürfen. Die Miete hat sie immer pünktlich am Ersten des Monats gezahlt, aber dann hat sie nach gerade mal drei Monaten den Schlüssel abgegeben und weg war sie. Sie ist noch am gleichen Tag mit zwei Reisetaschen fortgegangen, ohne zu sagen, wohin. Dabei hatte sie sogar eine gute Arbeitsstelle gefunden, eine Bekannte der Vermieterin hatte sie ihr vermittelt. Sie war bei so einem Verein für Schülerhilfe für die Terminvergabe und Absprachen mit den Lehrern zuständig. Ein bisschen Buchhaltung hat sie wohl auch gemacht, die waren angeblich sehr zufrieden mit ihr. Etwas Persönliches habe sie nie erzählt und sie soll anfangs nur dadurch aufgefallen sein, dass sie sich merkwürdig kleidete. Aber nachdem man sie darauf angesprochen hatte, sei sie immer adrett in dunkler Hose und weißer Bluse gekommen. Es habe keine Probleme zwischen ihr und den Kollegen gegeben, niemand hat begriffen, warum sie so plötzlich weg wollte. Das ist doch schon ziemlich eigenartig, findest du nicht auch?"
Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern redete ohne Pause weiter. "Es ist ganz offensichtlich, dass Anne Niemann vor jemandem flieht, der ihr große Angst einjagt. Bei dieser Person handelt es sich eindeutig um Edeltraut Brückner! Um die gleiche Frau, die auch hinter Melissa her ist!"
Während Tobias redete, lief in meinem Kopf ein Film ab. Ich saß wieder in der Bäckerei in Gröbeneck und hörte zu, was mir die alte Postzustellerin über die älteste Tochter von Edeltraut Brückner erzählt hatte, über jenes Kind, dass als Tochter der Schwester ausgegeben und auch später nicht anerkannt wurde. Ja, dieses Mädchen hieß Anne, ich erinnerte mich genau. Es trug den Geburtsnamen seiner Mutter. Anne Niemann war die Tochter von Edeltraut Brückner.
Offenbar hatten die beiden keinen direkten Kontakt zueinander, sonst würde die Mutter nicht im Internet nach der Tochter suchen. Aber stimmte es auch, dass Anne vor ihrer Mutter floh? Ich vermutete einen ganz anderen Zusammenhang. Schließlich hatte die ehemalige Postzustellerin erzählt, Anne sei in eine Nervenklinik eingeliefert worden, weil sie behauptet hatte, man wolle sie umbringen. Möglicherweise litt sie noch immer unter paranoiden Wahnvorstellungen und war deshalb ständig auf der Flucht. Tobias hatte eingangs noch erwähnt, sie habe in den vergangenen zwei Jahren elfmal den
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