Eine Tote im Arm
Schlußfolgerung aus der Tatsache, daß Sie Chinesin
sind, ziehen ?« knurrte ich. »Sie müssen Betty Wong
sein. Stimmt’s ?«
»Es
stimmt, Mr. Holman .«
»Und
Sie haben mir soeben das Leben gerettet«, fügte ich hinzu. »Jetzt sagen Sie
bloß noch, das sei nicht der Rede wert gewesen, und ich gebe Ihnen tüchtig eins
auf die Nase !«
»Ich
sah die beiden in die Hütte gehen«, sagte sie mit leiser Stimme. »Fessler und
dieser schreckliche fette Kerl.« Sie sagte es, noch immer dieses verdammte
Lächeln auf ihren Lippen, mit ihrer klar dahinfließenden Stimme, während sie
ihre Augen bescheiden abwandte.
»Nach
einer Weile kamen sie dann wieder heraus und fuhren eilig weg. Ich wußte, daß
Sie noch irgendwo in der Hütte sein mußten, und so schlich ich hinein, nachdem
die beiden weg waren, und sah dann — dieses Dings — auf dem Fußboden des
Wohnraums. Es sah schrecklich kompliziert aus — mit Batterien, Drähten und
einer Uhr, die tickte .«
Sie
zuckte kaum merklich entschuldigend die Schultern. »Ich hatte viel zuviel Angst, es auch nur anzufassen, denn es hätte ja
dabei explodieren können. So eilte ich in den Schlafraum und fand Sie dort auf
dem Boden angebunden. Es tut mir leid, daß ich Sie auf die Weise hinausgezerrt
habe, wie es geschehen ist, aber bis zur Explosion blieben uns nur fünf Minuten
Zeit .«
»Eine
Entschuldigung wäre angebracht, wenn Sie sechs Minuten gebraucht hätten, um
mich hinauszuschleppen .« Ich grinste. »Oder vielleicht
gerade dann nicht mehr. Aber da Sie mir das Leben gerettet haben, wie wäre es,
wenn Sie mich Rick nennen würden ?«
»Selbstverständlich,
Rick.« Sie nippte vorsichtig an ihrem Glas, als ob sein Inhalt aus der Hausdestille im Badezimmer stammte und sie nicht sicher
sei, ob als Grundstock Gefrierschutz an Stelle reinen Alkohols verwandt worden
wäre.
»Sie
können sich denken, daß ich eine Million Fragen auf dem Herzen habe, Süße«,
sagte ich zu ihr, »zum Beispiel, wieso Sie gerade zufällig die Hütte
beobachteten und warum Sie sich die Mühe gemacht haben, mich zu retten, nachdem
sich Fessler und Robut eilig auf und davon gemacht
hatten .«
Ihre
schönen Augen blickten mich sanft an, aber ihr Gesicht drückte tiefe Sorge aus.
»Wir haben viel Zeit, um uns zu unterhalten, aber ich glaube, zuerst müssen Sie
etwas wegen Ihres Gesichts unternehmen .«
»Jetzt
werden Sie ja nicht komisch, Betty Wong«, fauchte ich. »Ich habe mich an das
Gesicht gewöhnt. Ich bin mit ihm zur Welt gekommen. Wollen Sie etwa, daß ich
mich von einem Schönheitschirurgen behandeln lasse, oder so etwas Ähnliches ?«
»Ich
bitte Sie !« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Sie
müssen sofort etwas deswegen unternehmen. Die Tür dort geht ins Badezimmer.
Gehen Sie, sparen Sie nicht mit Wasser und Seife und säubern Sie es .« Ihr Lächeln war diesmal eine Spur wärmer. »Trinken Sie
erst Ihr Glas aus, und bis Sie mit Ihrer Säuberung zu Ende sind, habe ich Ihnen
ein neues geholt .«
Ich
trank das Glas mit zwei raschen Schlucken aus und drückte ihr auf dem Weg ins
Badezimmer das leere Glas in die Hand. Sobald ich darin war und einen Blick in
den Spiegel geworfen hatte, war mir klar, was sie gemeint hatte. Meine beiden
Wangen waren gedunsen und von den Schlägen, die mir Robut mit dem Handrücken verabfolgt hatte, geschwollen, und zudem mußte das Mistvieh dabei auch noch einen Siegelring getragen haben.
Auf jeder Wange befand sich dort eine gezackte vertikale Spur getrockneten
Bluts, wo der Ring das Fleisch aufgerissen hatte. In diesem Augenblick glich
mein Spiegelbild einem Wesen direkt aus einem der
Spätmitternachts-Fernsehprogramme, etwa der Szene, in der sich der fangzahnige
Vampir anschickt, sich über sein nächstes Opfer herzumachen.
Als
ich mich auszog, um unter die Dusche zu gehen, machte ich eine interessante
Entdeckung. Da war eine empfindliche Stelle direkt unterhalb meines
Brustkastens, die bereits anfing, einen purpurnen Schimmer anzunehmen und die
am kommenden Morgen in feinem tiefstem Pflaumenblau prangen würde. Eine weitere
faszinierende Frage fiel mir ein, als ich unter die Dusche trat: Wieviel Leute waren wohl daran beteiligt gewesen, mich in
dieser Nacht Fessler und seinem fettschwabbelnden Schläger in die Hände zu
spielen?
Ungefähr
fünfzehn Minuten später kam ich tip -top angezogen ins
Wohnzimmer zurück, in dem mich ein frisches Glas Whisky zusammen mit meinem
ängstlich dreinblickenden und schönen chinesischen Rätsel
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