Eine Tote im Arm
Sitz zurückfallen und zündete mir eine Zigarette an. In
diesem Augenblick setzte die Schockreaktion ein. Der Schweiß begann mir das
Gesicht hinunterzulaufen, als ich mir vorstellte, wie ich, an Händen und Füßen
gebunden, im Augenblick der Explosion in der Hütte gelegen haben würde. Es
dauerte eine geraume Weile, bevor es mir gelang, dieses Bild aus meiner
Vorstellung zu verbannen, aber schließlich brachte ich mich dazu, an Nick
Fessler und seinen fettschwabbelnden Assistenten Russ Robut zu denken. Haß ist eine wirklich kostspielige
Regung; und ich dachte, angesichts der Art und Weise, wie diese beiden Drecksäcke
es mir zu besorgen beabsichtigt hatten, war alles, was ich tun konnte, es guten
Mutes zu tragen und abzuwarten.
Ungefähr
dreißig Minuten später hielt der Wagen vor einem vernachlässigt aussehenden Appartementgebäude , dessen Vorderseite auf den
Strand von Santa Monica hinausging. Mein chinesischer Lebensrettungsengel
stellte den Motor ab, gab mir die Wagenschlüssel zurück und lächelte.
»Ich
glaube, wir könnten jetzt beide ein Glas vertragen, Mr. Holman .«
»Das
ist das beste Angebot der letzten zwölf Stunden !« sagte ich mit einem Grinsen, das mich für diese abgedroschene Phrase
entschuldigen sollte. »So ein halber Liter von irgend etwas in einem großen Glas wäre jetzt genau das Richtige .«
Sie
stieg aus dem Wagen aus, und ich folgte ihr in das Gebäude. Das Appartement lag
im ersten Stock — ohne Fahrstuhl und ich empfand eine vage Enttäuschung, als
wir es betraten. Irgendwie war es ganz und gar nicht, was ich erwartet hatte.
Es harmonierte in keiner Weise mit der zerbrechlichen und exotischen
Erscheinung des chinesischen Engels. Die Einrichtung war unansehnlich, und
nirgendwo im Wohnzimmer waren Anzeichen von Individualität oder einer
persönlichen Note wahrnehmbar. Es war, als ob sie in das nächste Kaufhaus
gegangen wäre, dem Verkäufer fünfhundert Dollar in die Hand gedrückt und ihn
dann angewiesen hätte, die Wohnung bis zu ihrem Einzug am nächsten Freitag
einzurichten.
»Bitte
setzen Sie sich, Mr. Holman .« Sie wies mit einer Handbewegung auf einen Sessel, der möglicherweise letztes
Jahr noch als zeitgenössisch hätte gelten können, jetzt eben nichts als ein
Sessel war und nächstes Jahr Plunder sein würde. »Ich werde uns einen Drink
zurechtmachen .«
» Rye auf Eis wäre wunderbar«, sagte ich.
Ein
paar Sekunden später kam sie mit den Gläsern aus der Küche zurück und drückte
mir ein bis an den Rand gefülltes Whiskyglas in die Hand. Dann ließ sie sich
auf der seitlichen Armlehne der Couch mir gegenüber nieder und betrachtete mich
mit einem Ausdruck von Feierlichkeit in ihren Augen.
»Viel
Glück, Mr. Holman !« Sie hob ihr Glas.
»Auf
mein Glück, Süße !« sagte ich nüchtern. »Wären Sie
nicht gewesen, würde es mich jetzt nur noch in Bruchstücken geben .«
Ich
nahm einen tiefen Schluck Rye und musterte sie — zum erstenmal eingehend — Zug für Zug, während der Alkohol mein
Inneres erwärmte.
Ihr
schwarzes Haar war kurz geschnitten, so daß ein kleiner Lockenaufruhr ihren
Kopf umschloß , die glatte bronzefarbene Haut
schmiegte sich fest über die hohen Backenknochen, und ihr kühn geschwungener Mund
war eine Oase von Sinnlichkeit in dem sonst strengen Gesicht. Ihre
unvermeidlich mandelförmigen Augen waren von einem tiefen Saphirblau, mit einer
Umrahmung von langen dunklen, in gesetzter Unschuld geschwungenen Wimpern. Sie
trug einen schwarzen Kaschmirsweater, der ihre schlanke Figur betonte, gegen
die der Kontrast ihrer sich aggressiv abhebenden spitzen Brüste wie ein Schock
wirkte. Ich vermutete, daß ich ihre winzige Taille bequem mit meinen beiden
Händen umspannen konnte. Ihre bläulich- metallfarbenen Stretchhosen umschlossen ihre elegant gerundeten
Hüften wie eine Haut und enthüllten mit Stolz und liebenswerter Offenheit ein
paar lange, schlanke Beine.
»Als
Sie das erstemal auf mich herabblickten, verlieh
Ihnen das Licht hinter Ihrem Kopf einen Heiligenschein«, sagte ich zu ihr.
»Soll ich Ihnen etwas sagen? Hinterher hat es mir beinahe leid
getan , festzustellen, daß ich noch lebe .«
»Ja ?« sagte sie und ließ mir erneut jenes bewußte höfliche
Lächeln zukommen.
Dieses
verdammte Lächeln begann mir auf die Nerven zu gehen. Sie benutzte es mit einer
gewissen kalten Entschiedenheit als Schranke, um jedermann davon abzuhalten,
ihrem wirklichen Lebensbereich zu nahe zu kommen.
»Soll
ich mal eine wirklich smarte
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