Eine Tote im Arm
bohrte, so daß ich
anfing, in der Mitte zusammenzuklappen.
»Sind
Sie dessen ganz sicher ?«
»Bleiben
Sie, wo der Pfeffer wächst, Fettsack !« gurgelte ich.
»Das
hätten Sie besser nicht gesagt .« Die heisere Stimme
klang ehrlich bedauernd. »Nun haben Sie mich wütend auf Sie gemacht .«
Irgendwoher
aus dem wirbelnden Kaleidoskop von Licht und Schatten, das sich vor meinen
verschwimmenden Blicken abspielte, ertönte ein schrilles hohes Pfeifgeräusch.
Ganz vage überlegte ich, daß jemand die ganze Hütte mit einer Hand ergriffen
und auf mich geschmettert haben mußte, da ich plötzlich unter einer Lawine von
explodierenden Lichtern und Schmerzen begraben wurde.
Eine
Sekunde später umfing mich dann geradezu wonnevoll ein sich weitender Schacht
von Kühle und Dunkelheit, der mich mit der umfassenden Zärtlichkeit wie einen
Embryo im Mutterleib aufnahm.
VIERTES KAPITEL
D ie verschiedenen Körpergegenden voller
Empfindlichkeit und stechender Schmerzen waren wie weggeweht, als ich meine
Augen öffnete und das schöne Gesicht erblickte, das aus Augen auf mich
herabsah, die sanftes Mitleid wärmte. Über ihrem Kopf
strahlte rings um ihre schwarzen Locken leuchtend ihr Heiligenschein und ließ
mich blinzeln, ja fast meine Augen wieder schließen. Es nahm ein wenig Zeit in
Anspruch, um mir darüber klarzuwerden, daß eine meiner verrücktesten Theorien
plötzlich Wirklichkeit geworden war. Die völlig abwegigen
Phantasievorstellungen, für die ich mich — aus purem Vergnügen — einmal
spätnachts auf irgendeiner Party ereifert hatte, als die Gespräche in einer
jener nicht zu beendenden Diskussionen für und gegen ein Leben nach dem Tode
mündeten, waren nun nüchterne Tatsache geworden. In der Erinnerung daran, daß
ich damals heiter gemeint hatte, es gäbe vielleicht die verschiedensten Formen
vom Jenseits, jeweils zugeschnitten auf die verschiedenen Arten von Menschen,
lag eine sanfte Ironie. Wenn es für jeden von uns möglich war, sich seine
eigene besondere Hölle auf Erden zu schaffen, warum konnten wir uns dann nicht
auch unser eigenes spezielles Jenseits schaffen?
Vielleicht
landet der kommunistische Polizeichef als eine Art »Scharlachrote
Schlüsselblume« in einem von ihm selbstgestrickten französischen Revolutions-Jenseits,
wo er den Rest der Ewigkeit damit verbringt, entkräftete Aristokraten vor der
Guillotine zu retten. Der Wüstling in der Maske des Intellektuellen, der sein
ganzes Leben der Verführung von Stenotypistinnen in Manhattan gewidmet hat,
findet sich plötzlich in einem türkischen Sultansharem wieder, in dem er ständig von einem Schwarm prächtiger und im wesentlichen
splitternackter Damen umgeben ist. Der springende Punkt ist nur, daß er als
Haremswächter beschäftigt ist und eine Ewigkeit unter dem Bewußtsein leiden muß, daß der Sultan bereits die traditionellen Vorkehrungen getroffen
hat, um zu verhindern, daß seine Wächter ein unziemliches Interesse an den
Damen seines Harems entwickeln.
Aus
irgendeinem Grund, der mir im Augenblick nicht klar war, war Holman in einem chinesischen Jenseits gelandet, und wenn
der Rest der chinesischen Engel nur halb so schön war wie der, welcher im
Augenblick auf mich herabsah, so konnte es sich nur um das Paradies selbst
handeln.
»Wie
fühlen Sie sich jetzt ?« erkundigte sich der Engel in
einer sanften, klar klingenden Stimme.
Der
Engel bewegte den Kopf zur Seite, wobei der Heiligenschein einen Augenblick
lang an der alten Stelle stehenblieb, bis er plötzlich ganz verschwand und
mich, auf die Deckenbeleuchtung starrend, zurückließ. Langsam wurde mir bewußt,
daß der Heiligenschein eine optische Täuschung gewesen sein mußte. Also war das
Wesen auch kein chinesischer Engel, was bedeutete, daß meine kühne Theorie über
das Jenseits weiter Theorie blieb. Und die Empfindlichkeit und die Schmerzen
waren echt, da ich noch lebte. Wo, zum Kuckuck, befand ich mich also?
»Wie
fühlen Sie sich jetzt ?« wiederholte mein chinesischer
Ex-Engel mit nach wie vor sanfter Stimme, in der freilich ein drängender
Unterton nicht zu überhören war.
»Wie
ein Stück rohes Fleisch«, sagte ich, »aber davon abgesehen scheint alles okay
zu sein .«
»Können
Sie aufstehen ?«
Ich
rappelte mich mühsam zu einer sitzenden Stellung auf und blickte etwas töricht auf
die noch an meinen Handgelenken und Knöcheln befestigten abgeschnittenen
Strickenden hinab. »Was, zum Kuckuck, ist... ?«
»Bitte«,
sagte sie rasch, »wir haben jetzt
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