Eine Trillion Euro
konnten nur noch wenige Worte wechseln. Ihm blieb gerade die Zeit, sie nach dem Grund für ihre Abwesenheit zu fragen. Die Antwort rang ihm ein bitteres Lächeln ab. Sie hatte sich unter Umständen, die ihrer Erinnerung vollständig entfallen waren, erkältet und war bis zur vollständigen Genesung im Bett geblieben.
Unfähig, sich zu zügeln, zog er es vor, als Erster zu gehen. Sie blieb auf der Bank sitzen. Nach der langen Zeit, in der sie ihr Zimmer nicht verlassen hatte, wollte sie die letzten schönen Herbsttage genießen. Flüchtig dachte sie an den Mann, der gerade gegangen war, und fand es schade, dass sie nicht mehr Zeit gefunden hatten, miteinander zu plaudern. Trotz seiner Traurigkeit wirkte er anziehend. Er ähnelte einer der Romanfiguren.
Er brauchte drei Tage, ehe er sich eingestand, dass der Tag, den sie miteinander verbracht hatten, einmal mehr ihrem Gedächtnis entfallen war. Er verfügte zwar über die Mittel, jedes Mal erneut mit ihr Bekanntschaft zu machen, aber das genügte ihm nicht mehr. Mehrmals fand er die Kraft, nicht in die Gärten zurückzukehren, aber schnell trugen ihn seine Schritte dann doch wieder zu der Bank und zu ihr. Ihre Geschichte drohte, sich auf unbestimmte Zeit zu wiederholen, ähnlich der hoffnungslosen Flut, die Venedig schließlich verschlungen hatte.
Weil er nicht mehr weiter wusste, wollte er sich ihren Hass zuzuziehen. Mit speichelnden Lippen und zurückgeklappten Mantelschößen verfolgte er sie wie ein Exhibitionist die Alleen entlang. Am nächsten Tag begrüßte sie ihn mit einem Lächeln, als ob nichts geschehen wäre. An diesem Tag verstand er, dass zwischen ihnen nichts Endgültiges möglich war, ehe sie nicht ihr Gedächtnis und die Möglichkeit, sich zu erinnern, wieder gefunden hatte.
Er plünderte sein Bankkonto und lieh sich bei Freunden und Bekannten Geld. Innerhalb einer Woche hatte er die Summe für seinen Plan beisammen. So schnell wie möglich suchte er um einen Termin bei den Gedächtnishändlern nach und stand eines Tages vor ihrem Büro, um die Vergangenheit seiner Gefährtin zurückzukaufen.
Als er es verließ, hatten Tränen feuchte Spuren auf seinen Wangen hinterlassen. Die wertvollen Erinnerungen waren eine Woche nach ihrer Entnahme vor etwa drei Jahren verkauft worden. Ohne Spuren zu hinterlassen, waren sie im anonymen Geist ihres Käufers aufgegangen. Seither war zu viel Zeit verstrichen. Niemand konnte ihm mehr helfen.
Erst zwei Wochen später kehrte er in die Gärten zurück. In der Zwischenzeit hatte er an zahllose Türen gepocht und um Hilfe gebeten, aber die Antworten glichen sich auf grausame Weise. Man konnte nichts mehr tun: Die Erinnerung seiner Gefährtin war auf immer verloren. Er gab das Geld zurück und verließ die Stadt, um in Ruhe nachzudenken. Nach seiner Rückkehr nahm er einen Tag frei und betrat die Medici-Gärten beim ersten Öffnen der Tore.
Ein leichter Regen belebte das Grün der Rasenflächen und überglänzte die Blumen, deren Blütenblätter bereits den Boden übersäten. Die Bäume schüttelten ihre Zweige, um sie von den letzten Blättern zu befreien, und die glatten Birkenstämme probierten ihre Wintergarderobe an. Er schlug den Mantelkragen hoch, um sich vor dem Wind zu schützen, und schalt sich einen Narren. Der Herbst war vorüber; sie würde nicht mehr kommen. Es war zu kalt, um ruhig auf einer Bank zu sitzen.
Beinahe wäre er umgekehrt. Der Frühling war so weit fort, und die Gärten hatten sich so verändert … Nach ihren ersten Zusammentreffen hätte er ihr Verschwinden mit einer gewissen feigen Erleichterung zur Kenntnis genommen. Doch jetzt drängte es ihn an den Ort ihrer stetigen Stelldicheins. Beunruhigt dachte er daran, dass er vielleicht in der ganzen Stadt nach ihr würde suchen müssen, was durchaus keinen Erfolg garantierte.
Eilig strebte er die frisch geharkte Allee entlang, ohne einen Blick an die Schönheit seiner Umgebung zu verschwenden. Wasserbecken versprühten Fontänen, als er vorüber kam; Statuen schnitten Grimassen, konnten jedoch seine Aufmerksamkeit nicht erregen. Ohne auf seine Angst zu achten, intonierte der verrückte Architekt seine morgendlichen Tonleitern auf der Pflanzenklaviatur der Gärten.
Die Bank war leer, doch nach einem kurzen Augenblick der Bestürzung entdeckte er sie in einer kreuzenden Allee. Er blieb stehen und gab vor, seine Initialen in die Rinde eines Baumes zu ritzen, um ihr die Zeit zu geben, sich zu setzen und ihr Buch hervorzuholen. Erst dann
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