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Eine Überwinterung im Eise

Eine Überwinterung im Eise

Titel: Eine Überwinterung im Eise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Schnee gerieben hatte, trat er eilig wieder in die
     Hütte.
    »Ein fürchterlicher Sturm! rief er; gebe der Himmel, daß unser Haus Stand hält, sonst sind wir verloren!«
    Zu derselben Zeit, wo die Windsbraut über das Land wegfegte, entstand auch ein donnerndes Geräusch unter dem eisesstarren
     Boden. Die an der Spitze des Vorgebirges zerbrochenen Eisschollen stießen krachend zusammen und stürzten über einander, der
     Wind wehte so gewaltig, daß es schien, als würde das ganze Haus von der Stelle gerückt, und ein unter diesen Breiten unerklärliches,
     phosphorescirendes Leuchten durchzuckte die schneegefüllte Luft.
    »Marie, Marie! rief Penellan und hielt das junge Mädchen an beiden Händen.
    – Es steht schlimm um uns! bemerkte Fidèle Misonne.
    – Gott allein weiß, ob wir davon kommen werden, versetzte Aupic.
    – Jedenfalls müssen wir dieses Schneehaus verlassen! rief André Vasling.
    – Das ist unmöglich, es friert zu furchtbar! entgegnete Penellan. Hier im Hause werden wir der Kälte vielleicht Stand halten
     können.
    – Gebt mir das Thermometer«, sagte André Vasling.
    Aupic reichte ihm das Instrument; es zeigte trotz des Feuers in der Hütte zehn Grad unterNull. Der Obersteuermann hob die Leinwand vor der Thüröffnung empor und streckte die Hand mit dem Thermometer hinaus; aber
     ehe er noch eine Beobachtung constatiren konnte, wehte ihm der Wind einen solchen Hagel von scharfen Eisstücken entgegen,
     daß das Instrument seiner Hand entglitt und niederfiel.
    »Nun, Herr Vasling, fragte Penellan; wollen Sie noch hinaus gehen? ... Sie sehen wohl, daß hier im Hause der beste Zufluchtsort
     für uns ist.
    – Ja, und wir müssen alle nur denkbaren Anstrengungen machen, um das Gehäude innerlich zu stützen, fügte Johann Cornbutte
     hinzu.
    – Der Wind zerbricht das Eis unter uns, wie er die Eisschollen am Vorgebirge zerbrochen hat, und wir werden entweder fortgerissen
     oder versenkt.
    – Das scheint mir unmöglich, entgegnete Penellan, denn die Kälte ist so stark, daß alles Flüssige sofort gefriert. Laßt uns
     sehen, wie viel Grad Kälte wir haben.«
    Er hob die Leinwand ein wenig, so daß er den Arm durchstecken konnte, und es gelang ihm nach einiger Mühe, das Thermometer
     im Schnee zu finden. Als er das Instrument der Lampe näherte, sah er, daß es zweiunddreißig Grad unter Null wies; die stärkste
     Kälte, die man bis jetzt gehabt hatte.
    »Noch zehn Grad, und das Quecksilber würde gefrieren!« fügte André Vasling hinzu. Ein düsteres Schweigen folgte dieser Betrachtung.
    Gegen acht Uhr Morgens versuchte Penellan nochmals auszugehen, um sich ein Urtheil über die Situation zu verschaffen. Uebrigens
     mußte auch dem Rauch, den der Wind immer wieder in die Hütte zurück trieb, ein Ausweg gebahnt werden. Der Seemann hüllte sich
     deshalb so eng wie möglich inseine Kleider ein, befestigte den Capuchon seines Mantels mit dem Taschentuch auf dem Kopf und hob die Zeltleinwand empor.
    Die Oeffnung war vollständig durch Schnee versperrt. Penellan nahm nun seinen eisenbeschlagenen Stab und versuchte die compacte
     Masse zu durchbohren und fort zu bringen; aber sein Blut erstarrte vor Schreck, als er wahrnahm, daß auch das äußerste Ende
     des langen Stockes nicht durchdrang, sondern auf einen harten Körper stieß.
    »Cornbutte, wir sind unter dem Schnee begraben! rief er entsetzt dem Kapitän zu.
    – Was sagst Du? fragte dieser erschreckt.
    – Der Schnee liegt über und um uns; er ist gefroren, und so sind wir lebendig begraben!
    – Wir wollen versuchen, die Schneemassen zurück zu stoßen«, schlug der Kapitän vor.
    Die beiden Freunde stemmten sich mit aller Macht gegen die weiße Mauer vor der Thüröffnung, aber sie wich nicht um eine Linie.
     Der Schnee war zu einer Eismasse von mehr als fünf Fuß Dicke geworden und mit dem Hause vollständig in eins verschmolzen.
    Johann Cornbutte konnte einen Schrei des Entsetzens nicht unterdrücken, so daß Misonne und André Vasling dadurch erweckt wurden
     und erschreckt aufsprangen. Ein Fluch drang zwischen den Zähnen des Obersteuermanns hervor, und seine Züge verzerrten sich
     wild, als er erfuhr, was sich zugetragen hatte.
    In diesem Augenblick war der Rauch im Inneren des Häuschens so arg wie nie zuvor; er schien keinen Ausweg finden zu können.
    »Verdammt! rief Misonne; das Ofenrohr ist durch den Schnee verstopft!«
    Penellan nahm abermals seinen Stab zur Hand und legte den Ofen auseinander, nachdem er die

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