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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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kannst jetzt ruhig schlafen«, sagte sie. »Ich bin wieder fit.«
    Weder PM Möhrle noch PM Engel bemerkten den schwachen Lichtschein einer Taschenlampe im Inneren des Hauses, das sie beobachten sollten. Sie hörten nicht das leise Geräusch der Kellertür, die sich öffnete und schloss, und sie sahen erst recht nicht die beiden dunklen Gestalten, die ein großes, sperriges Paket über den Rasen, vorbei am Schwimmbad bis zum hinteren Teil des Gartens schleppten, dieses dort über denGartenzaun hoben, in einem dunklen Kombi verstauten und dann mit ausgeschalteten Scheinwerfern im Rückwärtsgang die schmale Sackgasse hinabfuhren.
     
    Als Friedhelm Döring wieder zu sich kam, dröhnte sein Kopf, und in seinem Mund hatte er ein ekliges, pelziges Gefühl. Er wollte die Augen öffnen, musste aber feststellen, dass man sie ihm verbunden hatte. Durch den Nebel, den das Betäubungsmittel in seinem Gehirn hinterlassen hatte, kroch eine beängstigende Erinnerung in ihm empor. Vermummte Gestalten, die vor seinem Bett gestanden hatten. Ein kalter Windzug strich über seinen Körper, und er spürte mit einem Anflug von Panik, dass er splitternackt und völlig hilflos war. Seine Hand- und Fußgelenke steckten in Fesseln und ragten in die Luft. Der Zorn darüber, dass man ihn betäubt und entführt hatte, wich schnell einem eigenartig beklemmenden Gefühl.
    Die Erkenntnis, dass er wahrhaftig Angst empfand, entsetzte ihn zutiefst. Diesmal war es nicht die Polizei, die ihn festhielt, diesmal konnte er sich weder mit einem Zornausbruch noch mit Geschicklichkeit oder Scharfsinn aus seiner Lage herausmanövrieren. Er befand sich in der Gewalt von entschlossenen Männern mit schwarzen Strumpfmasken, die ihn aus seinem eigenen Haus, das er für so unglaublich sicher gehalten hatte, verschleppt hatten.
    »Was wollt ihr von mir?«, fragte er laut, und obwohl er seine Stimme hatte herrisch klingen lassen wollen, kam nur ein komisches Krächzen aus seiner Kehle. Döring glaubte die Anwesenheit von anderen Menschen zu spüren, aber er hörte nichts.
    »Wer seid ihr, verdammt?«, krächzte er. »Sagt doch was!« Er spürte, wie etwas Kaltes seinen Oberschenkel berührte, dann summte es, und im gleichen Moment jagte völlig unvermitteltein Stromstoß durch seine Glieder, so heftig, dass er sich aufbäumte und vor Schmerzen laut aufjaulte.
    »Jetzt ist dir doch sicher ein bisschen wärmer, oder?«
    Er konnte nicht antworten, so sehr raste sein Herz. Seine Zähne klapperten, und Arme und Beine zuckten, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.
    »Zweihundertzwanzig Volt. Das ist so, wie wenn man in eine Steckdose greift«, ein leises Lachen. »Das ist doch eine amüsante Sache, hm?«
    Wieder ein Stromstoß, wieder zuckte Dörings Körper konvulsivisch. Der Schweiß rann in Strömen, die Augenbinde wurde nass von Tränen, und er spürte, dass ihm nicht nur der Speichel aus dem Mundwinkel rann, sondern dass er sich auch noch vollgepinkelt hatte. Mit einem Mal hatte er keine Angst mehr, sondern nackte Panik.
    »W... w... was w... w... wollt ihr v... von m... m... mir?«, er war kaum noch Herr über seine eigene Stimme, die wie ein unverständliches Brabbeln in seinen Ohren klang.
    »Wir wollen nur eine einzige Antwort von dir«, erwiderte die Stimme. »Wenn du uns anlügst, schneiden wir dir Stück für Stück Körperteile ab. Als Erstes deine Eier. Hast du das verstanden?«
    Döring nickte wie ein Irrer.
    »Was wollt ihr von mir?«, flüsterte er. »Wollt ihr Geld?«
    »Nein. Wir wollen wissen, wo deine Frau ist.«
    Eine Welle der Erleichterung schoss durch seinen Körper. Es ging um Anna Lena – und er hatte schon geglaubt, es sei etwas Ernsthaftes! Die Angst ließ nach. Er hatte es nicht mit Profis zu tun.
    »Ich weiß nicht, wo sie ist«, behauptete er deshalb. »Ich weiß es wirklich ni...«
    Bevor er die letzte Silbe ausgesprochen hatte, bereute er es schon, aber es war zu spät.
     
    Um halb fünf morgens wurde Anna Lena Döring an der Aral-Tankstelle am Königsteiner Kreisel abgesetzt. Sie zählte bis fünfzig, wie man es ihr gesagt hatte, nahm dann die Augenbinde ab und ging die paar Meter zur Polizeiwache. Von dort aus rief sie ihren Bruder an, der wiederum Bodenstein eine Stunde später vom Wiederauftauchen seiner Schwester in Kenntnis setzte. Bodenstein rief Pia Kirchhoff an. Sie war natürlich hellwach und schon im Büro. Um sechs Uhr. Eine wirklich gnadenlose Frühaufsteherin.
    »Florian Clasing hat mich eben angerufen«, sagte er.

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