Eine unbeliebte Frau
grünem Gesicht den Sektionsraum betrat. »Wir kommen der Sache langsam näher. Allmählich gibt das hübsche Kind einige Geheimnisse preis.«
»Ach ja?«, Heidenfelds Stimme klang matt.
»Sie hat vor sehr kurzer Zeit eine Abtreibung vornehmen lassen«, sagte der Professor, »ich schätze, etwa vor drei bis vier Wochen. Aber das ist wohl weniger interessant als die Tatsache, dass das Mädchen auf keinen Fall durch den Sturz gestorben ist.«
»Tatsächlich nicht?«, fragte Heidenfeld erstaunt.
»Nein, sie war vorher tot«, bestätigte Kronlage. Er blickte auf und hob den rechten Arm der Toten.
»Sehen Sie hier«, sagte er, und Heidenfeld musste sich zwingen, nur auf den Arm und nicht auf den ausgeweideten Leib zu starren. »An den Handgelenken, Armen und Schultern finden sich Unterblutungen der Haut. Man hat sieziemlich grob festgehalten. Aber das Interessanteste ist wohl dieser relativ frische Einstich in der rechten Armvene.« Er ließ den Arm wieder sinken.
»Ich wage die Vermutung, dass dieser Einstich etwas mit dem Tod der Frau zu tun hat. Jemand hat ihr mit Gewalt eine Injektion verpasst.«
»Sie war mehrfach wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz aktenkundig«, gab Pia zu bedenken. »Kann es nicht sein, dass sie sich selbst etwas gespritzt hat?«
»Nein, das ist anatomisch unmöglich«, widersprach der Professor. »Die Frau war Rechtshänderin. Wenn du dir als Rechtshänder selbst eine Spritze gibst, dann wohl kaum mit der linken Hand in den rechten Arm, oder? Außerdem kann man selbst nicht in dem Winkel spritzen, wie die Spritze in diesem Fall verabreicht wurde.«
»Und was wurde ihr gespritzt?«, fragte Staatsanwalt Heidenfeld. »Kann man das feststellen?«
»Wir führen ein toxikologisches Screening durch«, erwiderte Professor Kronlage. »Mit einem solchen Schnelltest können wir rund 3000 verschiedene Substanzen identifizieren. Und wenn sich mein Verdacht bestätigt, wissen wir in kürzester Zeit, ob sie an einem Gift gestorben ist.«
»Aha«, Staatsanwalt Heidenfeld nickte, »okay.«
Kronlage murmelte unablässig medizinische Fachausdrücke in sein Mikro, während er mit einem Skalpell die Innenseite des rechten Oberarms der Leiche sezierte.
»Eine derart stümperhaft gesetzte Injektion«, dozierte er, »führt zu einem Bluterguss, allerdings nur bei einem lebenden Menschen. Bei dieser Toten sind nur leichte Unterblutungen vorhanden, weil sie kurz nach der Injektion gestorben ist.«
Pia nickte zufrieden. Das war der eindeutige Beweis dafür, dass ihre Theorie stimmte. Kein Selbstmord, kein Unfall, sondern Mord.
Bodenstein musterte Dr. Kerstner, der nur noch ein Schatten seiner selbst war, verglichen mit dem Foto, das vorne im Empfangsraum an der Wand hing.
»Darf ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen?«
»Ja. Natürlich«, Kerstner setzte sich auf den Stuhl, auf dem vorher sein Kollege gesessen hatte. Er wirkte geistesabwesend, und Bodenstein argwöhnte einen Moment, der Mann habe Beruhigungsmittel geschluckt.
»Wie konnte sich Ihre Frau einen Porsche leisten?«, fragte er. Im Hof vor dem Fenster erklang das Klappern von Pferdehufen. Bodenstein blickte kurz aus dem Fenster. Zwei junge Frauen luden einen Schimmel aus einem Pferdeanhänger, ein älterer Mann führte einen Braunen herum, der immer wieder nervös tänzelte und schrill wieherte. Kerstner schien das alles nicht zu bemerken, vielleicht waren es für ihn auch einfach alltägliche Geräusche. Er nahm eine Zigarette aus dem Päckchen, das Rittendorf auf dem Tisch hatte liegen lassen, drehte sie gedankenverloren in den Fingern und steckte sie schließlich zwischen die Lippen. Mit diesen Händen, ging es Bodenstein durch den Kopf, führt er komplizierte Operationen aus. Hatte er mit ihnen auch seine Frau getötet?
»Ich habe das Auto am Samstag auch das erste Mal gesehen«, sagte Kerstner mit einer Spur Bitterkeit, »vermutlich hat sie das Geld von einem ihrer ... Liebhaber bekommen. Sie hat mich immer betrogen. Ich wollte es nur viel zu lange nicht wahrhaben.«
»Erzählen Sie mir etwas mehr über Ihre Frau und Ihre Ehe«, bat Bodenstein, aber wieder verstrich beinahe eine Minute, bevor Kerstner antwortete.
»Was gibt es da zu erzählen?«, er zuckte die Schultern. »Isabel hat mich nie geliebt. Heute muss ich mir eingestehen, obwohl es demütigend ist, dass ich nichts anderes war als Mittel zum Zweck. Ich kannte sie als Schwester meinesFreundes Valentin, seitdem sie ein kleines Kind war. Als ich sie nach
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