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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Töchtern geritten wurden. Pia fand ihre Namen auf der Liste, die ihr Frau Kampmann tags zuvor ausgedruckt hatte. »Was können Sie mir über Isabel Kerstner sagen?«, fragte Pia und registrierte den raschen Blick, den die Damen wechselten. In dem Augenblick kam Kampmann mit einem Pferd am Zügel aus dem Stall, begleitet von einer dicklichen Mittvierzigerin in karierten Reithosen, die das Pferd am Zügel festhielt, während er sich vom Rand eines Blumenkübels aus in den Sattelschwang. Pia nickte ihm zu. Er erwiderte ihren Gruß mit ausdrucksloser Miene und ritt auf den Reitplatz.
    »Ich hatte nicht viel mit Isabel zu tun«, hielt sich Frau Neumeyer bedeckt, »alles, was ich weiß, ist, dass sie eine sehr gute Reiterin war.«
    Die dickliche Frau mit der karierten Reithose stand mit Frau Kampmann an der Umzäunung des Reitplatzes und gab vor, den Reitlehrer beim Reiten ihres Pferdes zu beobachten, äugte aber immer wieder neugierig nach hinten.
    »Ja, das habe ich schon gehört«, Pia lehnte sich zurück. »Aber Ihre Tochter ist doch sicherlich auch eine gute Reiterin. Sie haben ein Dressurpferd für sie gekauft, wie heißt es gleich ...«
    »Connaisseur«, sagte Frau Neumeyer. »Ja, das stimmt. Wir haben es von Herrn Kampmann für unsere Tochter gekauft.«
    »Aha«, Pia nickte, »und ist sie so erfolgreich, wie Isabel es war?«
    Frau Neumeyer zögerte. Es schien ihr schwerzufallen, einer Fremden gegenüber eine Wahrheit auszusprechen, die ihr unangenehm war.
    »Sie sind beide noch in der Phase . sie . sie müssen sich erst noch aneinander gewöhnen«, sagte sie ausweichend.
    »Das heißt, Ihre Tochter war nicht so erfolgreich wie Isabel Kerstner?« Pia stocherte gnadenlos in der offenen Wunde der armen Frau.
    »Nein«, Frau Neumeyer bedachte Pia mit einem giftigen Blick und drückte entschlossen die Zigarette im Aschenbecher aus. »Warum rede ich um den heißen Brei herum? Isabel war ein Biest. Sie tat immer verständnisvoll, hörte mit großen Kulleraugen zu, nur um alles, was sie erfuhr, umgehend Kampmann unter die Nase zu reiben. Sie war eine Meisterin darin, andere Leute bloßzustellen. Wir hatten das Pferd vonKampmann gekauft, nachdem Isabel es auf einigen Turnieren erfolgreich vorgestellt hatte, aber bei unserer Tochter klappte es dann nicht so. Patrizia war mit dem Pferd einfach überfordert. Als ich Isabel gegenüber einmal erwähnte, dass Kampmann uns offenbar nicht das passende Pferd verkauft habe, erzählte sie es ihm sofort weiter. Kampmann ist seitdem schlecht auf uns zu sprechen. Isabel hatte eine spitze Zunge und einen schlechten Charakter. Niemand hier im Stall konnte sie leiden.«
    »Sie war nur auf ihren Vorteil bedacht«, mischte sich nun Frau Groß ein. Auch sie war Mutter einer Tochter, der ein teures Dressurpferd gekauft worden war, um auf diese Weise die eigenen ehrgeizigen und wohl nie erfüllten Wunschträume zu erfüllen. Aber wie im Fall Neumeyer war auch Tochter Groß lange nicht so erfolgreich, wie Isabel Kerstner es gewesen war.
    »Inwiefern?«, fragte Pia nun nach.
    »Sie wusste, mit wem sie sich gutzustellen hatte«, erwiderte Frau Groß abfällig. »Wenn sie irgendetwas erreichen wollte, konnte sie katzenfreundlich sein.«
    »Was wollte sie denn erreichen?«, wollte Pia wissen. »Sie hatte doch alles: ein Pferd, ein schönes Auto, einen Mann.«
    Frau Groß schnaubte abfällig.
    »Dass sie einen Mann hatte, erfuhren wir erst, als sie schon ein halbes Jahr hier war. Sie hat sich so schamlos aufgeführt, dass es schon peinlich war.«
    »Ach?«
    »Manchmal haben wir uns gefragt, ob wir auf einer Reitanlage oder bei einer Modenschau sind. Nicht, dass sie noch in einem Bikini geritten ist!« Frau Groß lachte kurz. »Sie war mannstoll. Aber dann ist sie wohl einmal an den Falschen geraten. Ich kann nicht behaupten, dass ich sie sehr vermissen werde.«
    Frau Kampmann hatte sich mittlerweile aus dem Staub gemacht, und der Reitlehrer ritt das Pferd an der gegenüberliegenden Seite des großen Reitplatzes. Hin und wieder blickte er herüber, und Pia überlegte, ob Kampmann es wohl vorziehen würde, das Pferd über die Umzäunung des Reitplatzes springen zu lassen, nur um nicht an ihr vorbeireiten zu müssen. Die dickliche Frau hatte sich neben Frau Neumeyer und Frau Groß gesetzt. Frau Payden besaß sogar drei Pferde in diesem Stall. Sie hatte sie allesamt von Reitlehrer Kampmann gekauft, und alle drei wurden von ihm ausgebildet. Auch Frau Payden hatte Isabel Kerstner nicht leiden können, und

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