Eine unbeliebte Frau
gesattelte Pferd vom LKW und ritt mit ihm auf den Springplatz, um den Wassergraben zu trainieren. Mein Mann verprügelte das Pferd, es warentsetzlich. Carolus sprang dann doch, aber er stürzte und verletzte sich .«
Sie brach ab und schluchzte auf, aber Sekunden später hatte sie sich wieder unter Kontrolle.
». er hat sich das Bein gebrochen. Als mein Mann begriff, was er angerichtet hatte, rastete er völlig aus. Er zerrte Aragon, unser anderes Pferd, das ich noch gar nicht abgeladen hatte, vom LKW und schlug und trat auf ihn ein. Als ich ihn anschrie, er solle das lassen, richtete sich sein Zorn auf mich.«
»Ihr Mann hat Sie so zugerichtet?«, fragte Bodenstein ungläubig. »Das ist nicht Ihr Ernst! Sie sollten ihn deswegen anzeigen!«
»Anzeigen?« Anna Lena Döring verzog ihr Gesicht. »Sie kennen ihn nicht. Er würde mich umbringen.«
Bodenstein war ehrlich entsetzt. Die Abgründe der Menschheit vermochten ihn noch immer zu schockieren.
»Mein Mann hat sich dann in sein Auto gesetzt und ist weggefahren«, fuhr Anna Lena Döring fort, »und ich habe Micha . ich meine, Dr. Kerstner, auf dem Handy angerufen. Es war ungefähr Viertel nach sechs, und ich bat ihn, sofort in den Stall zu kommen. Er merkte, dass ich völlig durcheinander war, und versprach, auf der Stelle loszufahren. Zwanzig Minuten später war er da.«
Sie hielt kurz inne und schauderte.
»Carolus musste noch auf dem Hof eingeschläfert werden. Er hatte einen offenen Bruch unter dem Karpalgelenk vorne rechts. Alles war voller Blut. Es war schrecklich .«, ihre Lippen zitterten bei der Erinnerung, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Bodenstein konnte kaum fassen, was sie gerade gesagt hatte, aber Anna Lena Döring schien es nicht aufgefallen zu sein. Carolus musste noch auf dem Hof eingeschläfert werden ... Damit war klar, dass Kerstner ein Mittelbei sich geführt hatte, mit dem man töten konnte. Bodenstein ließ sich nicht anmerken, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen. Stattdessen fragte er Anna Lena, ob außer ihr, ihrem Mann und dem Tierarzt noch andere Leute an jenem Abend im Stall gewesen waren.
»Den Unfall auf dem Platz haben sicherlich noch einige mitbekommen«, sie blickte verwirrt auf. »Ich weiß gar nicht, ob ich Kampmann gesehen habe.«
Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als ob sie fröre.
»Dr. Kerstner wollte mich sofort ins Krankenhaus bringen, aber ich bestand darauf, dass er erst Aragon untersuchte. Wir hängten einen Pferdehänger an sein Auto und fuhren in die Klinik. Es war ungefähr halb acht, als wir dort ankamen, und wir fuhren erst ins Krankenhaus, als Aragon versorgt war.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»Ungefähr um zehn oder halb elf, nehme ich an. Micha blieb da, bis sie mich verarztet hatten, und danach kam er noch mit auf das Zimmer«, sie fuhr sich mit der Hand über ihr Haar.
»Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie das frage, Frau Döring«, Bodenstein räusperte sich. »Haben Sie ein Verhältnis mit Herrn Dr. Kerstner?«
»Nein«, Anna Lena Döring schüttelte den Kopf, »wir sind einfach nur gute Freunde, immerhin kennen wir uns ja auch schon sehr lange. Wir sind beide nicht sehr glücklich verheiratet. Irgendwann haben wir uns darüber unterhalten und festgestellt, dass wir ähnliche . hm . Sorgen haben. Seit ungefähr anderthalb Jahren telefonieren wir regelmäßig miteinander und bauen uns gegenseitig auf, wenn es mal wieder besonders schlimm ist.«
Sie gab ein Geräusch von sich, eine Mischung zwischen Lachen und Schluchzen.
»Ziemlich jämmerlich, nicht wahr? Zwei geprügelte Hunde trösten sich gegenseitig.«
Bodenstein blickte die Frau nachdenklich an, und obwohl er sich gegen den Gedanken wehrte, kam es ihm in den Kopf, dass diese beiden verzweifelten und enttäuschten Menschen nicht nur ein Motiv, sondern durchaus auch die Zeit und die Gelegenheit gehabt hatten, Isabel Kerstner an jenem vergangenen Samstagabend zu töten. Von der Tierklinik zum Atzelbergturm war es nur ein Katzensprung.
»Hat Sie jemand in der Klinik gesehen?«, fragte er.
Die Frau hob den Kopf und hielt seinem Blick stand.
»Ein Alibi fürs Alibi, meinen Sie?«
»So ungefähr«, er lächelte bedauernd.
»Außer uns war niemand da«, sagte sie. »Möglich, dass jemand von den Nachbarn gesehen hat, wie wir Aragon ausgeladen haben. Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir ihn im Hof hatten.«
Das konnte man herausfinden.
»Werden Sie Dr. Kerstner jetzt gehen lassen?«, fragte Anna Lena
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