Eine unbeliebte Frau
schnell wie möglich mehr über das Umfeldvon Isabel Kerstner herausfinden. Und über das ihres Mannes.«
»Kerstner mag zwar die Klinik vor seiner Frau verlassen haben, aber womöglich hat er ihr dann irgendwo aufgelauert oder sie angerufen und sich mit ihr verabredet«, ließ sich Frank Behnke vernehmen. »Für einen Tierarzt ist es kein Problem, einem Menschen eine Spritze zu verpassen.«
»Genau«, erwärmte sich Ostermann für diese Theorie. »Seine Kollegen sagen wahrheitsgemäß aus, dass er vor seiner Frau weggefahren ist, und schon hat er ein Alibi.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Bodenstein.
»Wir müssen herausfinden, wohin er gefahren ist«, sagte Pia, »und wir müssen dringend erfahren, wo Isabel Kerstner nach der Trennung von ihrem Mann gewohnt hat. Außerdem bin ich mittlerweile beinahe sicher, dass es in ihrem Bekanntenkreis noch mehr Leute gab, die ein Motiv hatten.«
»Wie kommen Sie darauf?« Bodenstein blickte von der noch recht dünnen Akte auf.
»Das Ehepaar Kampmann erzählte mir, dass Isabel Kerstner eine nette und beliebte Einstellerin in dem Stall gewesen sei«, antwortete Pia, »aber der Besitzer der Reitanlage hat sie vollkommen anders charakterisiert. Und zwar ziemlich negativ.«
»Hm«, Bodenstein klappte den Deckel der Akte zu, »ich will wissen, wer Kerstner am Samstagabend angerufen hat. Ich bin sicher, es ist dieselbe Person, mit der er gestern telefoniert hat.«
»Ach, übrigens, Chef«, sagte Pia, »sagt Ihnen der Name Hans Peter Jagoda etwas? Ihm gehört diese Reitanlage.«
»Jagoda?« Bodenstein dachte einen Augenblick nach, dann flog ein erstaunter Ausdruck über sein Gesicht. »Der Hans Peter Jagoda?«
»Genau.«
»Dürfen wir auch erfahren, um wen es geht?«, mischte sich Ostermann ein.
»Hans Peter Jagoda war zu den Zeiten des Neuen Marktes ganz groß im Geschäft«, erklärte Pia. »Er gehörte mit seiner Firma zu den Shooting Stars, der Wert seiner Aktie schoss hoch bis auf fünfhundert Euro. Die JagoPharm war ein Spitzenwert.«
»Die Betonung liegt auf ›war‹«, wandte Bodenstein ein. »Heute ist die Firma längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, wenn es sie überhaupt noch gibt.«
»An Geld scheint es ihm auf jeden Fall nicht zu mangeln«, sagte Pia, »er kam mit einem Ferrari angedüst, und auf der Reitanlage ist alles vom Feinsten und Teuersten. Sogar der Reitlehrer fährt einen Porsche Cayenne.«
»Oberste Priorität hat für uns die Person, mit der Kerstner am Samstagabend telefoniert hat«, Bodenstein erhob sich. »Also, an die Arbeit, Leute.«
Stuhlbeine schrammten über den Linoleumboden, die Beamten unterhielten sich leise, während sie an ihre Arbeit gingen. Bodenstein hielt Pia zurück.
»Der Bruder von Isabel Kerstner besitzt eine Apotheke in Bad Soden. Wie finden Sie das?«
»Ein Apotheker? Das ist interessant.«
»Das finde ich auch.«
»Apotheker kommen schließlich auch an tödliche Medikamente«, bemerkte Pia, »nicht nur Tierärzte.«
»Das habe ich mir auch gedacht«, Bodenstein nickte, »und deshalb werden wir uns jetzt mal mit ihm unterhalten.«
Die Löwen-Apotheke lag an der Königsteiner Straße gegenüber dem Bad Sodener Bahnhof. Pia fand nach einigem Suchen einen Parkplatz vor dem Schlecker-Markt. Bodenstein und sie betraten den Verkaufsraum der Apotheke um kurzvor halb sieben und baten eine der Apothekenhelferinnen darum, den Chef sprechen zu dürfen.
»Sind Sie angemeldet?«, die ältliche Frau blickte sie streng an. »Für einen Vertreterbesuch ist es reichlich spät.«
Bodenstein zückte seinen Dienstausweis und lächelte gewinnend.
»Wir sind von der Kriminalpolizei«, sagte er freundlich. »Es geht um eine private Angelegenheit. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie uns anmelden könnten.«
Pia konstatierte interessiert, welch wunderbare Verwandlung durch das Lächeln ihres Chefs mit dem vertrockneten Fräulein vor sich ging.
»Oh ... äh«, die Apothekenhelferin errötete und lächelte deswegen verlegen, »einen Moment.«
Sie war so irritiert, dass sie mit einer Kollegin zusammenstieß, als sie sich umdrehte und hastig in einem Nebenraum verschwand.
Bodenstein betrachtete sich unterdessen kritisch in der Schaufensterscheibe.
»Sehe ich aus wie ein Vertreter?«, flüsterte er. Pia musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Ich bin noch keinem Vertreter in einem Brioni-Anzug begegnet«, erwiderte sie trocken. Bodenstein zog die Augenbrauen hoch, aber das Erscheinen von Dr. Valentin Helfrich enthob ihn einer
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