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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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sarkastisch.
    »Nicht wahr«, Escher nutzte die Enge des Vier-Personen-Aufzuges, um Pia unangenehm eng auf die Pelle zu rücken, »aber der Dom ist ja auch als eine äußerst exklusive Immobilie geplant worden. Leute, die sich eine solche Wohnung leisten können, schätzen es im Allgemeinen nicht, mit lärmenden Kindern, Hunden und anderen Menschen in Berührung zu kommen.«
    Pia lag eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, aber sie schluckte sie herunter.
    »Ist das der einzige Weg, um in den Dom zu gelangen?«, fragte sie stattdessen. Der Aufzug – Granitfußboden und Spiegel an den Wänden – glitt mit einem diskreten Surren aufwärts.
    »Das nicht«, antwortete Escher ihrem Dekollete, das ihn zu faszinieren schien, »aber der bequemste allemal. Außerdem gibt es noch einen Lastenaufzug, der aber meistens abgestellt ist, die beiden Treppenhäuser im linken und rechten Flügel und die Feuertreppe.«
    Sie stiegen aus dem Aufzug aus und standen mitten in der Wohnung. Pia verschlug es beim Anblick des gewaltigen Raumes für einen Moment den Atem. Staunend betrachtete sie den glänzenden Parkettfußboden, die uralten Dachbalken und die sorgfältig restaurierten spitzgiebeligen Kirchenfenster, die der Wohnung zu ihrem Namen verholfen hatten. Escher drückte auf einen Lichtschalter. Unzählige winzige Halogenlämpchen in der zehn Meter hohen Decke flammten auf wie ein Sternenhimmel.
    »O mein Gott«, sagte Pia, als sie etwa die Mitte des einzigen, riesigen Raumes erreicht hatten, »das ist ja ein Traum!«
    »Ich kann heute noch einen Mietvertrag mit Ihnen machen«,erbot sich Escher und verschlang Pia mit Blicken. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was Escher damit meinte, und warf ihrem Chef einen hilfesuchenden Blick zu.
    »Die Heizkosten im Winter dürften die Wohnung zu einem Alptraum werden lassen«, bemerkte Bodenstein trocken und verstellte dem Geschäftsführer den Weg. »Es macht zwar keinen wirklich bewohnten Eindruck, aber die Wohnung ist immerhin möbliert. Küche, Einbauschränke, Bett, ein Sofa, Fernsehgerät.«
    »Sie haben recht«, Escher nickte und betrachtete versonnen das Bett. »Ich wusste auch nicht, dass sich Möbel hier drin befinden.«
    »Wer hat denn Schlüssel für diese Wohnung?«, erkundigte sich Bodenstein.
    »Keine Ahnung. Alle Schlüssel für das Gebäude befinden sich in unseren Büroräumen. Im Prinzip kann sie jeder von meinen Mitarbeitern und Kollegen an sich nehmen.«
    »Wann waren Sie das letzte Mal hier oben?«
    »In den letzten beiden Jahren ganz sicher nicht«, Escher kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Vor meiner Hüftoperation, glaube ich. Und die war 2002. Es gab ja auch keinen Grund, hier hoch zu kommen. Im Gebäude gibt es über 200 Wohnungen, Ateliers und Büros, um die ich mich kümmern muss.«
    Pia machte einen Rundgang durch die Wohnung, öffnete die Schwebetüren des verspiegelten Schrankes, schaute in der Küche in den Kühlschrank und in den Backofen. Bodenstein bat unterdessen den Geschäftsführer um den Wohnungsschlüssel und eine Namenliste aller Personen, die Zugang zu den Schlüsseln gehabt hatten.
    »Ist er weg?«, fragte Pia.
    »Bei dem haben Sie Chancen«, Bodenstein grinste. »Haben Sie irgendetwas gefunden?«
    »Nichts. Die ganze Wohnung ist klinisch sauber«, erwiderte Pia. »Kein einziges Staubkörnchen in den Schränken, kein Kalkfleck am Spülbecken, einfach gar nichts.«
    Bodenstein sah sich nachdenklich in dem großen Raum um. Irgendetwas stimmte hier nicht. Hier war nicht bloß eine Putzfrau am Werk gewesen. Nun galt es herauszufinden, wer die Wohnung so akkurat aufgeräumt hatte. Und warum.
     
    »Isabel Kerstner ist wie ein Habicht in den Hühnerhaufen gestoßen«, sagte Pia. »Ich glaube, der weint keiner in dem Reitstall eine Träne nach. Außer vielleicht Kampmann, der jetzt alle Pferde selber reiten muss. Aus ihm werde ich nicht schlau.«
    »Wieso?« Bodenstein fuhr durch das offene Tor der Spedition Döring im Gewerbegebiet Eschborn und folgte den Hinweisschildern, die ihn zur Verwaltung leiteten. Auf dem riesigen Hof wimmelte es nur so vor Betriebsamkeit. Große LKW, vor allen Dingen Tiefkühlzüge, standen in Warteposition, um an eine der zwanzig Andockstationen fahren zu können, die sich an der Längsseite des großen flachen Gebäudes befanden. Auf der anderen Seite gab es weitere Gebäude, vor denen LKW mit hochgeschlagenen Planen beladen wurden. Gabelstapler summten wie Bienen hin und her, transportierten Paletten mit Waren. Der Verkehr

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