Eine unbeliebte Frau
aufsetzte.«
»Was hatten Sie für ein Verhältnis zu Isabel Kerstner?«
»Oh«, Rittendorf grinste, aber seine Augen blieben kalt, »wir sind uns aus dem Weg gegangen, nachdem einmal ein Streit zwischen uns eskaliert ist. Micha hat immer zu ihr gehalten. Ich wollte nicht, dass unsere Freundschaft wegen diesem kleinen Aas kaputtgeht.«
Er lachte verdrossen.
»Ich hatte sie ziemlich schnell durchschaut, noch vor der überstürzten Hochzeit, und ich habe ihr auf den Kopf zu gesagt, dass sie Micha nur benutzt hat, weil er für sie eine bequeme Lösung ist. Sie hätte mir damals am liebsten die Augen ausgekratzt. Sie hat mich gehasst, aber sie hatte auch Angst vor mir. Irgendwann hat sie mal behauptet, ich sei auch bloß scharf auf sie und beleidigt, weil ich bei ihr nicht landen könnte.«
»Und?«, fragte Bodenstein. »Entsprach das der Wahrheit?«
Rittendorf warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu.
»Ich hätte Isabel nicht angefasst, und wenn sie die letzte Frau auf der Welt gewesen wäre«, antwortete er. Ein spöttischer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »An einer Frau muss mir noch etwas mehr gefallen als ihre hübsche Visage. Nein, bei mir verfing ihr Charme nicht, und das war der Grund, weshalb sie mich aus tiefstem Herzen hasste. Sie konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn ihr ein Mann nicht aus der Hand fraß.«
Bodenstein nickte verstehend. In der geöffneten Stalltür tauchte ein ziemlich verärgerter Friedhelm Döring auf, Kerstner folgte ihm mit ausdruckslosem Gesicht. Döring marschierte in Richtung Ausgang, als ihm etwas einzufallen schien.
»Wo ist der Hänger, mit dem Sie das Pferd transportiert haben?«
»Drüben auf dem Parkplatz«, sagte Kerstner. Döring drehte sich auf dem Absatz um und verschwand grußlos. Bodenstein und die beiden Tierärzte beobachteten, wie er auf dem Parkplatz gekonnt seinen Geländewagen vor den Pferdehänger manövrierte, denselben mit wenigen Handgriffen anhängte und mit quietschenden Reifen davonrauschte.
»Was hat er von Ihnen gewollt?«, erkundigte sich Bodenstein.
»Er wollte wissen, wo seine Frau ist«, erwiderte Kerstner düster.
»Und? Wissen Sie es?«
»Ja, allerdings«, hinter ihnen ertönte eine Stimme, und die drei Männer wandten sich um. Anna Lena Döring tauchte aus der Tür auf, hinter der sich der OP befand. Die Schwellungen in ihrem Gesicht waren etwas zurückgegangen, die Farbe der Blutergüsse hatte sich von Violett und Schwarz in ein bläuliches Gelb verwandelt. Sie hatte das dunkle Haar zu einem straffen Zopf geflochten, trug eine Jeans und ein graues Kapuzensweatshirt.
»Hallo, Frau Döring«, Bodenstein war nur mäßig überrascht.
»Wie geht es Ihnen?«
»Gut«, ihre Stimme klang gezwungen. Sie ging zu Kerstner und berührte ihn am Arm. Die beiden sahen sich an, und es war offensichtlich, dass zwischen ihnen ein tiefes Vertrauen herrschte. »Ich muss gehen, Micha«, sagte sie leise zu Kerstner, »sonst gibt es noch ein Unglück.«
»Nein, bitte Anna, das darfst du nicht tun! Es gibt auch eine andere Lösung«, erwiderte Kerstner beschwörend. Plötzlich schien ihm einzufallen, dass Bodenstein noch immer da war und ihnen zuhörte. »Lass uns später darüber sprechen, bitte. Versprich es mir!«
Bodenstein folgte den Tierärzten und Anna Lena Döring in das Verwaltungsgebäude der Tierklinik.
»Ist Frau Dr. Hansen auch da?«, fragte er.
»Nein, sie ist auf Außenpraxis«, Rittendorf beugte sich über den unbesetzten Empfangstresen, um ein Telefongespräch entgegenzunehmen.
»Kann ich Sie noch einmal kurz unter vier Augen sprechen?«,wandte Bodenstein sich an Kerstner, der daraufhin nickte. Sie gingen in den Aufenthaltsraum, und Kerstner schloss hinter sich die Tür. Bodensteins Blick blieb an einem gerahmten Foto hängen, das fünf junge Männer mit Bierflaschen in den Händen an einem Strand zeigte, die sich eingehakt hatten und lachend in die Kamera schauten. Er erkannte Rittendorf, Kerstner, Valentin Helfrich und Florian Clasing. Den fünften jungen Mann kannte er nicht. Das Foto hatte er bei seinen ersten Besuchen nicht bemerkt.
»Sie haben Dr. Clasing nicht erst durch Frau Döring kennengelernt?«, fragte Bodenstein und drehte sich um.
»Nein«, der Tierarzt schüttelte den Kopf, »wir waren an der Uni in der gleichen Studentenverbindung. Clasing und Schröter waren an der juristischen Fakultät, Helfrich studierte Pharmazie, Georg und ich Veterinärmedizin.«
»Aha«, Bodenstein betrachtete Kerstner, der
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