Eine unbeliebte Frau
wirkt«, sagte er. »Wir werden das Pferd nämlich einschläfern müssen.«
Bodenstein hatte noch nie gesehen, wie ein Pferd eingeschläfert wurde. Früher hatten sein Großvater und sein Vater alte oder kranke Pferde zum Schlachter gefahren. In Notfällen war der Pferdemetzger auf den Hof gekommen und hatte das Tier mit einem Bolzenschussgerät von seinem Leiden erlöst. Kerstner und die mopsgesichtige Tierarzthelferin bugsierten das arme Pferd, das dank einer schmerzstillenden Spritze wenigstens wieder einen Huf vor den anderen setzen konnte, auf eine Wiese hinter der Tierklinik. Während die weinende Besitzerin es streichelte, setzte Kerstner eine Kanüle in die Drosselvene am Hals und injizierte ein starkes Beruhigungsmittel. Dann zog er die Spritze mit dem tödlichen Mittel auf und spritzte es in dieselbe Kanüle. Bodenstein und Rittendorf sahen von der Stalltür aus zu.
»Jetzt fällt der alte Knabe gleich um«, sagte Rittendorf mit gesenkter Stimme. »Eine saubere, unblutige Sache. Schön für die Besitzer.«
Bodenstein blickte wie gebannt auf das Pferd, das den Kopf sinken ließ, aber keine Anstalten machte, zu Boden zu gehen.
Das fiel Kerstner nach ein paar Minuten wohl auch auf. Er blickte irritiert zu seinem Kollegen hinüber. Dann sagte er etwas zu dem rothaarigen Mops, der gleich davonstob.
»Was ist los?«, erkundigte sich Bodenstein. »Das dauert ja doch ziemlich lange.«
»Keine Ahnung«, Rittendorf zuckte die Schultern. Innerhalbweniger Minuten war die Tierarzthelferin zurück und gab Kerstner eine andere Ampulle. Er zog wieder eine Spritze auf und verabreichte die Injektion, die innerhalb einer halben Minute die gewünschte, tödliche Reaktion zeigte. Das große Tier schwankte leicht, dann knickten erst die Vorder- und danach die Hinterbeine ein. Es sank mit einem Seufzer auf die Seite und war tot.
»Natrium-Pentobarbital«, Rittendorf schnippte seine Zigarettenkippe auf den Misthaufen. »Ein schöner Tod.«
Bodenstein beobachtete Kerstner, der sorgfältig die benutzte Kanüle und die leere Ampulle in ein Kästchen steckte und noch kurz mit der tränenüberströmten Ex-Pferdebesitzerin sprach.
Die Frau beugte sich ein letztes Mal über ihr Pferd, streichelte es und ging dann mit der Tierarzthelferin Sylvia ins Büro. Bodenstein folgte den beiden Tierärzten zurück in den Hof. Plötzlich blieb Kerstner stehen und erstarrte. Im nächsten Moment kam Friedhelm Döring durch das weit geöffnete Tor marschiert, seine Miene war alles andere als freundlich.
»Na, Herr Kommissar«, sagte er und lächelte frostig, »welch ein unglaubliches Vergnügen, Sie schon wieder zu sehen.«
»Guten Tag, Herr Döring«, erwiderte Bodenstein liebenswürdig, »die Freude ist ganz auf meiner Seite.«
Dörings Gesichtsausdruck wurde finster.
»Wie geht es meinem Pferd?«, wandte er sich an Kerstner.
»Ich musste ihn mit sechzig Stichen nähen«, antwortete der Tierarzt einsilbig. »Sie können ihn jetzt noch nicht mitnehmen.«
»Das hatte ich auch nicht vor«, Döring machte eine Kopfbewegung. »Haben Sie mal eine Sekunde Zeit? Ich muss mit Ihnen sprechen.«
Kerstner zuckte die Schultern und folgte Döring in denStall. Rittendorf starrte den beiden mit grimmiger Miene nach, dann zündete er sich eine nächste Zigarette an.
»Wussten Kerstner und Frau Döring, dass ihre Partner ein Verhältnis miteinander hatten?«, erkundigte Bodenstein sich.
»Klar«, schnaubte Rittendorf. »Isabel hat sich nie die Mühe gemacht, irgendetwas zu verbergen. Sie hat Micha regelmäßig zum Idioten gemacht.«
Er rauchte seine Zigarette mit nervösen Zügen.
»Im letzten Jahr hatten wir einen Tag der offenen Tür, und Isabel hat den ganzen Nachmittag auf Teufel komm raus mit Döring geflirtet. Sie haben sich tief in die Augen geschaut, Sekt getrunken und albern gekichert. Es war nicht zu übersehen, dass sie Mühe hatten, die Finger voneinander zu lassen.«
Bodenstein war überrascht über die Bitterkeit in Rittendorfs Stimme.
»Micha hat sich alles gefallen lassen«, fuhr der Tierarzt fort und warf die Zigarette mit einer heftigen Handbewegung fort. »Er war überhaupt nicht mehr der, den ich kannte, und jedes Mal, wenn ich ihn auf seine Frau angesprochen habe, hat er sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen. Ich glaube, der Gedanke, dass alle recht gehabt hatten, die ihn vor einer Ehe mit dieser Schlampe gewarnt hatten, fraß ihn noch mehr auf als die Tatsache, dass sie ihm mit jedem Penner Hörner
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