Eine unbeliebte Frau
ihn. »Was hat er Ihnen noch gesagt?«
»Ich glaube, Ihre Schwester ist in großer Gefahr«, sagte Bodenstein. »Sie hat Döring gegenüber behauptet, sie wüsstevon Dingen, mit denen sie ihn ins Gefängnis bringen kann, und gedroht, Gebrauch davon zu machen.« Clasing wurde bleich vor Schrecken.
»Frau Kirchhoff«, Bodenstein wandte sich zum Gehen, »leiten Sie sofort eine Großfahndung nach Döring und seiner Frau ein. Schicken Sie Leute zu seiner Firma und zu seinem Haus. Jede Streife soll nach den Autos von ihm und seiner Frau Ausschau halten.«
Als sie durch die Glastür auf den Parkplatz des Krankenhauses traten, fragte Bodenstein Pia, ob sie wüsste, wie man eine SMS verschickt.
»Eine SMS?« Pia blieb stehen und starrte ihren Chef befremdet an. »Wem wollen Sie denn eine SMS schicken?«
»Das geht Sie gar nichts an«, Bodenstein grinste. »Also, wissen Sie's oder nicht?«
»Klar.«
»Dann zeigen Sie es mir doch bitte.«
Pia nahm das Handy ihres Chefs und erklärte es ihm. Bodenstein nahm sein Handy zurück und schickte sich an, unter Pias überraschten und neugierigen Augen die erste SMS seines Lebens zu schreiben. Es schien ihm ungehörig, um zehn nach elf bei Thordis anzurufen. Wenn sie noch wach war, würde sie die Kurznachricht erhalten, wenn nicht, würde sie morgen früh sehen, dass er ihre Verabredung nicht vergessen hatte.
»So«, sagte er, als er sein Auto erreicht hatte, »und jetzt auf OK . Senden . He, super! Ist ja ganz einfach!«
Er hob den Kopf und strahlte Pia an.
»Geht's Ihnen gut, Chef?«, fragte diese vorsichtig.
»Ich habe seit drei Tagen kaum geschlafen«, erwiderte Bodenstein. »Ich jage vergeblich einem Mörder nach, und meine Frau befindet sich zehntausend Kilometer entfernt. Aber sonst geht's mir blendend.«
Pia betrachtete ihn zweifelnd und unterdrückte mühsam ein Gähnen.
»Sie kommen mir so vor, als hätten Sie mit dem Finger in eine Steckdose gefasst«, sagte sie, »ich bin todmüde.«
»Legen Sie sich ein paar Stunden aufs Ohr«, schlug Bodenstein vor. »Ich informiere die Zentrale, dass sie mich anrufen, wenn irgendetwas passieren sollte. Falls Döring heute Nacht noch auftaucht, werde ich das erfahren. Ich bin sicher, dass er seine Frau irgendwo eingesperrt hat. Wir werden an ihm kleben wie ein Kaugummi, und wenn wir Glück haben, führt er uns zu ihr hin. Ich will auf keinen Fall riskieren, dass Frau Döring dadurch in Gefahr gerät, weil wir ihren psychopathischen Mann festhalten.«
Er zuckte zusammen, als sein Handy einmal piepte.
»Na«, Pia lächelte müde, »da ist ja schon die Antwort.«
Bodenstein öffnete neugierig die SMS.
»Kennen Sie das Light and Sound in Bockenheim? Oder ist es Ihnen zu spät?«, hatte Thordis zurückgeschrieben. Das »Light and Sound« war ihm wohlbekannt, denn dort arbeitete Lorenz seit anderthalb Jahren an den Wochenenden als DJ. Bodenstein machte sich konzentriert daran, eine Antwort zu formulieren. Er war ohnehin viel zu aufgekratzt, um jetzt schlafen zu können.
»Kann in einer halben Stunde dort sein«, schrieb er.
Während er den Rückwärtsgang einlegte, piepte sein Handy wieder. Thordis beherrschte das SMS-Schreiben offensichtlich um einiges besser als er.
»Bin im Bistro. Freue mich.«
»Ich mich auch«, murmelte Bodenstein und brauste los.
Das »Light and Sound« in einer Nebenstraße der Leipziger Straße in Bockenheim war einer der zurzeit angesagten Clubs in Frankfurt, und Bodenstein war erstaunt, als er feststellte,wie viele junge Leute an einem Montagabend in eine Diskothek gingen. Er gehörte zwar mit Sicherheit zu den Ältesten, aber er fiel höchstens dadurch auf, weil er eine Krawatte trug. Thordis saß mit ein paar jungen Leuten an einem Tisch in der Ecke des Bistros, in dem die Musik etwas leiser war und Gespräche erlaubte, ohne dass man sich die Lunge aus dem Leib brüllen musste. Ihre Bekannten räumten das Feld, als Bodenstein an den Tisch trat.
»Ich wollte Sie nicht verjagen«, sagte er.
»Wir müssen eh los«, erwiderte eines der Mädchen, und ihm entging nicht das kurze Zwinkern, das Thordis galt. Offenbar hatte sie ihn angekündigt.
»Wollen Sie etwas trinken?«, fragte sie ihn. »Die machen hier sensationelle Cocktails.«
»Ich könnte eine Caipirinha vertragen«, erwiderte er und lächelte. Thordis trug ein ziemlich tief ausgeschnittenes enganliegendes Oberteil in Hellblau, das perfekt zu ihren Augen passte, dazu eine dieser schmal geschnittenen schwarzen Hosen, die nur schlanken
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