Eine unbeliebte Frau
sein Mobiltelefon wieder.
»Der Empfang ist schlecht«, sagte Thordis. »Können wir uns irgendwo treffen? Heute Abend noch?«
»Ich fürchte, bei mir wird's ziemlich spät«, Bodenstein warf einen Blick auf seine Uhr.
»Macht nichts«, entgegnete Thordis. »Rufen Sie mich einfach an. Egal wann.«
»Ich melde mich, sobald ich hier fertig bin«, versprach er. Als er zurück ins Krankenhaus ging, überlegte er mit einem Anflug von Belustigung, ob Thordis wirklich etwas wusste oder nur ein Rendezvous mit ihm einfädeln wollte. Egal, alles war besser, als zu Hause herumzusitzen und an Inka Hansen und verpasste Gelegenheiten zu denken.
Kerstner lag in einem Einzelzimmer auf der chirurgischen Abteilung. Dr. Djafari hatte Bodenstein nur widerwillig fünf Minuten genehmigt, aber auf keinen Fall mehr. Kerstner hatte eine schwere Gehirnerschütterung erlitten, dazu einen Bruch des Joch- und Nasenbeins. Der Mann sah wirklich übel aus, und Bodenstein hatte kaum noch Zweifel daran, dass es Döring war, der ihn so zugerichtet hatte. Genauso hatte Anna Lena Döring ausgesehen, als sie letzte Woche auf dem Kommissariat erschienen war. Kerstner hatte ein paar Platzwunden im Gesicht, die Unterlippe war genäht worden,ebenso eine Wunde an der Stirn. In seinem linken Arm steckte ein Tropf. Er war sehr blass und benommen, trotzdem bemühte er sich, sich an irgendetwas zu erinnern.
»Das Letzte, was ich weiß«, murmelte er undeutlich, »war, dass ich plötzlich einen Schlag auf den Kopf bekommen habe.«
»War Frau Döring zu diesem Zeitpunkt bei Ihnen?«
Auf Kerstners malträtiertem Gesicht malte sich Entsetzen. Offenbar hatte er sie ganz vergessen, was ihm nicht zu verdenken war.
»Anna!«, er richtete sich auf, sank aber mit einem Stöhnen zurück. »O Gott! Wo ist sie?«
»Wir hatten eigentlich gehofft, dass Sie uns das sagen könnten«, sagte Bodenstein.
»Sie ist verschwunden«, fügte Clasing mit düsterer Stimme hinzu. »Überleg doch bitte, Micha. Hast du auf dem Parkplatz irgendein fremdes Auto bemerkt? Hast du nicht vielleicht doch jemanden gesehen? War da ein komischer Anruf?«
Kerstner schüttelte verzweifelt den Kopf.
»Hat Döring seine Frau in den letzten drei Tagen angerufen?«, wollte Pia wissen.
»Ich ... ich weiß nicht mehr«, Kerstner griff sich mit der rechten Hand an den Kopf und stöhnte unwillkürlich. Bodenstein empfand Mitleid mit dem Mann, dem so gar nichts erspart zu bleiben schien. Im Türrahmen tauchte Dr. Djafari auf und tippte nachdrücklich auf seine Uhr.
»Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken«, Bodenstein legte seine Hand auf die des Tierarztes. »Ruhen Sie sich aus und werden Sie gesund. Wir finden Frau Döring, und wir finden auch Ihre Tochter, das verspreche ich Ihnen.«
Kerstner nickte langsam, aber seine Augen füllten sich mit Tränen der Hilflosigkeit. Gerade als Bodenstein seine Hand zurückziehen wollte, ergriff er sie und hielt sie fest.
»Meine Herren!«, mahnte der Arzt von der Tür.
»Einen Moment noch«, bat Bodenstein und machte Pia und Clasing ein Zeichen, den Raum zu verlassen.
»Ich konnte es nicht sagen, als Florian dabei war«, flüsterte Kerstner mit gepresster Stimme, und in seinem Blick lag Verzweiflung, »aber Döring wusste, dass Anna bei mir ist. Er hat sie gestern Abend angerufen und ihr gedroht, es werde etwas passieren, wenn sie nicht auf der Stelle zu ihm zurückkäme. Er hat sie beschimpft, und da hat sie vielleicht einen Fehler gemacht.«
»Jetzt reicht es aber«, mischte sich der Arzt ein, »verlassen Sie sofort den Raum.«
Bodenstein reagierte nicht. Er beugte sich näher zu Kerstner hin und bekam eine Gänsehaut, als er hörte, was Anna Lena Döring getan hatte.
»Ich wollte morgen früh mit ihr zu meinen Eltern fahren«, Kerstners Stimme war kaum mehr zu hören, und das Sprechen strengte ihn offensichtlich sehr an, »aber jetzt ist es zu spät.«
Er verstummte keuchend, dann begann er zu husten. Entsetzt sah Bodenstein, dass er Blut hustete.
»Sehen Sie doch, was Sie da angerichtet haben!« Dr. Djafari drängte Bodenstein ärgerlich und besorgt zur Seite, dann beugte er sich über seinen Patienten und drückte auf den Alarmknopf. Wenig später stürmten zwei Schwestern in das Krankenzimmer.
»Bitte!«, keuchte Kerstner und streckte verzweifelt die Hand aus, während ein dünner Faden Blut aus seinem Mundwinkel lief. »Sie müssen Anna Lena finden! Bitte!«
Bodenstein trat auf den Flur hinaus.
»Was ist?«, bestürmte Dr. Clasing
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