Eine unbeliebte Frau
Menschen gut stehen. Sie winkte einem der Kellner, einem jungen Kerl mit Gel in den Haaren und phantasievollen Tattoos auf den solariengebräunten Oberarmen, und bestellte.
»Gehen Sie häufig noch so spät abends aus?« Bodenstein lockerte die Krawatte.
»Warum nicht?« Thordis lächelte. »Zu Hause kenne ich jeden.«
»Wie alt sind Sie?«, fragte Bodenstein.
Thordis grinste und stützte das Kinn in die Hand.
»Alt genug, um nach zehn Uhr in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken«, erwiderte sie. »Ich bin einundzwanzig. Und Sie?«
»Älter«, er grinste auch, aber dann wurde er ernst. »Sie wollten mir etwas über diesen Philipp erzählen.«
»Ja, genau«, Thordis zog ihre hübsche Nase kraus. »Ichdachte erst, es sei nicht so wichtig, aber heute ist mir eingefallen, dass Isabel mir mal erzählt hat, wer er ist. Sie hat damit angegeben, dass er ein erfolgreicher Filmproduzent sei und ihr angeboten habe, eine Hauptrolle in einem seiner Filme zu spielen.«
»Aha«, Bodenstein lauschte interessiert.
»Allerdings hätte ihr das wohl nie einen Oscar eingebracht«, Thordis' Lächeln wurde ein wenig spöttisch. »Er produziert nämlich Pornos.«
Bodenstein erinnerte sich, dass Jagoda etwas in dieser Richtung erzählt hatte.
»Philipp ist Freddy Dörings Sohn aus erster Ehe«, fuhr Thordis fort. »Er lebt die meiste Zeit in Argentinien. Aber seine Filmfirma hat hier irgendwo in Frankfurt ein Büro. Isabel hat sich mal darüber amüsiert, dass er im Pass nicht Philipp Döring heißt, sondern Felipe Durango.«
Diese Neuigkeit elektrisierte Bodenstein. Dörings Sohn! Argentinien! Der Kellner tauchte auf, stellte die Getränke auf den Tisch und eine Schale mit Knabbersachen dazu.
Thordis ergriff ihr Glas und prostete ihm zu.
»Hat Isabel etwas über ihn erzählt?«, forschte Bodenstein und vergaß die Caipirinha. »Erinnern Sie sich an etwas?«
Thordis schien ein ganz kleines bisschen enttäuscht. Hatte sie sich etwa tatsächlich mehr von diesem Treffen versprochen?
»Sie hat mal gesagt«, sagte sie, »dass sie jeden Mann haben könnte, den sie haben wollte. Das Problem sei nur, dass die Männer, die ihr gefielen, keine Kohle hätten, und ohne Geld sei alles nichts. Eine Ausnahme sei dieser Philipp, der sei noch kein alter Knacker und habe trotzdem Geld wie Heu.«
»Hat sie sonst noch etwas über ihn gesagt?«, fragte Bodenstein. »Ist es möglich, dass es mit ihm etwas Ernstes war?«
»Keine Ahnung«, Thordis saugte am Strohhalm.
»Was ist mit den Dörings? Wie gut kennen Sie sie?«
»Nicht besonders gut«, sagte Thordis. »Freddy kann sehr jähzornig sein, vor allen Dingen wenn er etwas getrunken hat. Er hat Anna ein paarmal richtig übel verprügelt, einmal sogar vor allen Leuten, bis Kampmann und ein anderer Mann eingegriffen haben. Anna redet nie viel. Sie macht immer den Eindruck, als ob sie unglücklich sei.«
»Döring hatte ein Verhältnis mit Isabel.«
»Niemand hatte ein richtiges Verhältnis mit ihr«, Thordis schüttelte den Kopf. »Isabel hatte etwas an sich, das die Männer verrückt machte. Ihr machte es Spaß, Männer zu verführen. Sie brauchte das Gefühl, jeden Mann haben zu können.«
Bodenstein dachte an das, was Rittendorf über Isabel Kerstner gesagt hatte. Sie konnte es nicht leiden, wenn ihr ein Mann nicht aus der Hand fraß. Das passte.
»Was ist mit Kampmann?«, fragte Bodenstein.
Thordis sah ihn nachdenklich an, ohne zu lächeln.
»Tja«, sie drehte ihr Glas zwischen den Fingern, »Isabel hat seine Verkaufspferde geritten, sie haben oft zusammengehockt, aber offiziell waren sie immer per ›Sie‹. Susanne war auf jeden Fall tierisch eifersüchtig auf Isabel.«
»Daher die Verwandlung ...«
»Ha«, Thordis lachte geringschätzig, »sie hat sich zwanzig Kilo abgehungert – und dann diese blondierten Haare! Ich könnte nicht sagen, was an der überhaupt echt ist. Dabei geht sie ihrem Mann nur noch auf die Nerven.«
»Dann gab es also Kampmann. Und Döring und seinen Sohn. Und auch noch Jagoda.«
»Hans Peter?« Thordis schien verwundert.
In diesem Augenblick vibrierte Bodensteins Handy, das er neben sein Glas gelegt hatte.
»Entschuldigung«, sagte er und nahm das Gespräch entgegen.
Es war die Zentrale, die ihm mitteilte, dass die Wasserschutzpolizei vor einer Stunde am Deutschherrenufer in der Höhe der Gerbermühle die Leiche einer Frau aus dem Main gefischt hatte. Der Beschreibung nach konnte es sich um Anna Lena Döring handeln.
»Ich bin in zehn Minuten da«,
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