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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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und wo sie in andere abbiegen würden. So etwas hatte noch keiner von ihnen je im Leben gemacht.
    »Was ist eigentlich das da?«, fragte eine Frau, die erst seit kurzem in der Investmentabteilung arbeitete und deren Namen Tim nicht kannte. Sie deutete auf ein großes, in Grüntönen gehaltenes Vieleck mitten auf dem Papier.
    »Das ist das ehemalige Schwerindustriegebiet«, erklärte Markus. »Da wurde vor dreißig Jahren alles abgerissen; seither ist es Brachlandschaft und Vogelschutzgebiet. Aber man kann es durchqueren.«
    Tim runzelte die Stirn. »Davon habe ich noch nie etwas gehört.«
    Der Assistent nickte bereitwillig. »Die Navigationssysteme umfahren das Gelände alle weiträumig. Wegen des Naturschutzes, verstehen Sie? Auch in den Medien werden solche Gebiete deswegen so gut wie nie erwähnt.«
    Tim besah sich den Plan noch einmal. »Aber das ist ziemlich groß, oder?«
    »Ja. Es war ein eigener Stadtteil.«
    Gespenstisch, auf diese Weise zu erfahren, dass es mitten in der Stadt, die er als seine Heimatstadt betrachtete, eine Art Wildnis gab, von deren Vorhandensein er nie etwas geahnt hatte. Klar, die Ringstraßen führten darum herum, deshalb hießen sie so … Trotzdem. Ihn schauderte.
    Nachdem die Entscheidung, ob es von der Einfahrt aus nach rechts oder links ging, getroffen war, marschierten sie los. Die Insassen vorbeifahrender Autos warfen ihnen verwunderte Blicke zu. Kein Wunder, niemand sonst bewegte sich hier zu Fuß.
    Die anfänglichen Witzeleien verstummten bald. Sie hatten mehr als genug damit zu tun, die Augen offen zu halten und wachsam zu sein für die Gefahren, die ihnen drohen mochten. Dass dieser Markus sie begleitete, war nicht so richtig beruhigend. Er sah herzlich ahnungslos aus, wie ein halbes Kind. Und er schien nicht einmal ein Telefon zu haben. Wie er ihnen in einem Notfall helfen wollte, wusste keiner.
    Die Umgebung war voller fremdartiger Geräusche. Die Bäume bewegten ihre Äste und rauschten dabei auf eine fast unheimliche Weise. Immer wieder hörte man pfeifende Laute, die, wie sie entdeckten, von kleinen, fliegenden Tieren stammten.
    »Das sind Vögel«, erklärte Ben fachmännisch. »Habe ich erst neulich was darüber im Internet gelesen.«
    »Können die uns etwas tun?«, wandte sich eine Frau an Markus.
    Der lächelte milde. »Wieso denken Sie, dass die Ihnen etwas tun können?«
    »Na ja, sie … sind vorne am Kopf spitzig, nicht wahr?«
    Markus zögerte, schien zu überlegen, was er darauf antworten sollte oder durfte. Schließlich sagte er nur: »Sie brauchen keine Angst zu haben.«
    Nach etwa einer Stunde – genau konnte man es nicht sagen, weil niemand eine Uhr trug – klagten die ersten über Hunger und vor allem Durst. Doch die Erwartung, dass sich der Veranstalter für ihre Verpflegung verantwortlich fühlen würde, wurde von Markus kühl enttäuscht. »Dies ist ein Survival-Training. Das heißt, wenn ein Problem entsteht, müssen Sie es auf eigene Faust lösen. Ich bin nur dazu da, zu verhindern, dass jemand zu Schaden kommt.«
    Pjotr fragte entrüstet nach: »Und was soll das heißen?«
    »Wenn Sie Hunger haben, dann suchen Sie sich etwas zu essen«, präzisierte Markus bereitwillig. »Und wenn Sie Durst haben, suchen Sie etwas zu trinken.«
    Zwei Dutzend Augenpaare sahen ihn entsetzt an. Fassungsloses Murren lief durch die Gruppe wie Brandung über einen Strand.
    »Ein schlaues Geschäftskonzept«, hörte Tim Henrik murmeln. »Sie lassen die Leute auch noch dafür zahlen, dass sie ihnen nichts bieten. Ich muss herausfinden, ob man von denen nicht Aktien kaufen kann.«
    Tim wurde sich dessen bewusst, dass seine Hand wie automatisch nach dem PA greifen wollte. Anzugeben, was man suchte, und sich von seinem Personal Assistant den Weg dorthin zeigen zu lassen – das war das Normalste der Welt. Aber ohne PA natürlich unmöglich.
    Was für eine entsetzliche Situation!
    Henrik war es, der schließlich auf ein großes Lagergebäude mit Flachdach wies. »Da! Das ist ein Depotmarkt! Die haben einen Lagerverkauf; das weiß ich von meinem Bruder. Der holt seine Lebensmittel selber.«
    Einige rümpften die Nase. Tim fragte sich, was mit Henriks Familie los war, dass sein Bruder sich nur wegen der paar Prozente Rabatt ab Lager versorgte … Aber sie hatten alle Durst, also setzten sie sich in Bewegung. Man hörte die Regalroboter drinnen summen, wenn man näher kam, und ab und zu schoss ein automatischer Elektrowagen aus der Ausfahrt.
    Und da war der Eingang zum

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