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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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ausgeliefert, seiner Abwesenheit und seiner mangelnden Anteilnahme. Frank war stehengeblieben, um an einem Brötchenrest zu schnüffeln. Als er damit fertig war, hob er das Bein und pisste gegen einen alten verrosteten Torpfosten. Dann gingen sie weiter durch die Stadt, der große graue Mann und der kleine faltige Hund. Meine Schritte sind auch schwerer, dachte Sejer, als noch vor ein paar Jahren. Aber ich bin auch klüger und älter als damals. Wieder überkam ihn ein jäher, kurzer Schwindel. Stadt und Häuser drehten sich vor seinen Augen. Sicherheitshalber lehnte er sich an eine Mauer und schloss die Augen. Wartete, bis der Anfall vorüber war. Auch Frank war stehen geblieben. Er sah aus schwarzen Augen sein Herrchen an. Ich habe zwei Schritte nach links gemacht, überlegte er. Es geht immer nach links. Das ist doch eine Form der Asymmetrie, oder nicht? Nein, hör jetzt auf damit, schimpfte er sich aus, das sind doch bestimmt nur ein paar verkalkte Adern im Nacken. Vielleicht leide ich unter Blutarmut.
    Dann ging er weiter.
    Das Telefon klingelte in seiner Jackentasche.
    Er erkannte die Nummer im Display und hörte sich Skarres Bericht über die vergessenen Handschuhe an. Am Ende des Gesprächs fügte Skarre etwas hinzu, das er sich bis zum Schluss aufgehoben hatte.
    »Helge Landmark geht es schlechter«, sagte er. »Er liegt im Krankenhaus und wird künstlich beatmet.«
    J ohnny Beskow träumte manchmal, dass alle hinter ihm her seien.
    Dass die Polizei eine ganze Heerschar abgesandt hatte, dass er von kläffenden Schäferhunden durch den Wald gejagt wurde. Es war schwarze Nacht und sie suchten mit Scheinwerfern. Er sah die Lichtkegel zwischen den Baumstämmen tanzen, er hörte Drohungen und Rufe, und die Hunde keuchten, aber er war schneller als sie und listiger.
    Er entschlüpfte ihnen wie ein Hermelin.
    Er versteckte sich in einer Höhle, lehnte sich mit hochgezogenen Knien gegen die Felswand und lauschte. Er kletterte blitzschnell auf einen Baum und beobachtete seine Verfolger durch das dichte Laubwerk. Er watete durch einen Fluss und schnitt sie damit von seiner Spur ab.
    Immer wieder hatte er diesen Traum. Immer erwachte er mit einem Gefühl von großer Zufriedenheit, denn es war kein Albtraum, es war eher ein Spiel, und zwar eins, bei dem er immer gewann.
    Nicht einmal im Traum kriegen sie mich.
    Denn ich bin schneller.
    Ich bin Johnny Beskow und ich bin unbesiegbar.
    Die Suzuki wollte nicht anspringen. Sie hustete nur ein paar Male trocken und ging aus. Der Tank war fast leer und er hatte kein Geld für Benzin, deshalb ging er zu Fuß. Er hatte gesunde Beine und gute Schuhe und er wollte nicht zu Hause sein. Als er die Straße hinunter lief, fielen ihm seine Handschuhe ein, die er verloren hatte, und ihm kam die Idee, dass er sie vielleicht unten am Skarvesjø liegen gelassen haben könnte, im Supermarkt. Vielleicht hatte er sie ausgezogen und sie aufs Laufband gelegt, als er bezahlen musste. Und dann war er hinausgelaufen und hatte sie vergessen. So konnte es gewesen sein, vielleicht waren sie ja gleich gefunden worden. Er beschloss, im Supermarkt nach den Handschuhen zu fragen und bog in die Straße zum See hinunter. Er ging mit schnellen Schritten. Wärme erfüllte seinen Körper von den Füßen aufwärts, sie stieg ihm zu Kopf, und er fühlte sich leicht und gut. Bevor er den Supermarkt betrat, machte er einen Spaziergang am Ufer, bewunderte die Enten und die feinen Ringe, die sie im Wasser hinterließen. Als er dann den Parkplatz überquerte und auf den Eingang zulief, blieb er kurz stehen und zögerte. In seinem Bewusstsein klingelte eine Alarmglocke. Er fühlte sich beobachtet. Zugleich sah er einen Zettel im Fenster hängen, der den Fund von einem Paar schwarzroter Handschuhe meldete.
    Nach Britt fragen, stand darunter.
    Er öffnete die Tür und ging, nach wie vor zögerlich, zu den Kassen. Dort saßen zwei Mädchen, die nichts zu tun hatten und ihn aus riesigen, kugelrunden Augen anglotzten.
    Wenn er später darüber nachdachte, fand er schon, dass die beiden sich seltsam verhalten hatten. Seine einfache Frage, ob er seine Handschuhe wiederhaben könnte, löste eine Unruhe aus, die er nicht begriff. Sie rissen die Augen auf, wechselten Blicke. Die eine verschwand im Hinterzimmer und trödelte entsetzlich herum. Die andere stürzte aus der Vordertür und lief ohne Sinn und Verstand auf dem Parkplatz herum. Als ob sie etwas suchte. Ab und zu blieb sie stehen und sah sich verwundert um, als ob da

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