Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
schon wieder.
»Dann wohnen Sie jetzt also mit einem Mann zusammen«, stellte Mrs. Kinkaid beeindruckt fest und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie trug heute ihre schwarze Strickjacke. Anstelle der weißen. Sie trug das ganze Jahr über Strickjacken, um die bis in die Knochen dringende Feuchtigkeit abzuwehren – ein Nachteil unserer Arbeit im Keller. Mir war zwar nicht klar, wie der Strickjackenzauber helfen sollte, aber ich stellte ihn nicht in Frage. »Nur Sie beide, in einem Haus.«
»Nein. Ich meine, technisch gesehen: ja. Aber er ist nur ein guter alter Freund, der einen Platz zum Schlafen braucht, nachdem seine Freundin Kelly ihn rausgeworfen hat.« Warum nur wollte jeder glauben, dass mehr dahinter steckte? »Wir sind nicht zusammen oder so etwas.« Unser Büro war ein einziger großer Raum mit Drews und Mrs. Kinkaids Schreibtischen auf der einen und meinem auf der anderen Seite. Normalerweise störte es mich nicht, meinen Arbeitsplatz zu teilen, aber so, wie sie mich jetzt ansah, wünschte ich mir doch ein Büro für mich allein.
»Hmm.« Sie spähte über ihre Lesebrille. »Das erinnert mich an meine Zeit als junges Mädchen. Habe ich Ihnen je erzählt, dass Mr. Kinkaid und ich auch als gute Freunde anfingen?«
Als ich den Kopf schüttelte, begann sie eine lange und ausladende Geschichte über ihren Ehemann Jim, in deren Verlauf sich herausstellte, dass Mr. Kinkaid ursprünglich mit Mrs. Kinkaids bester Freundin Dottie ausgegangen war. Als Dottie ihm den Laufpass gab, kam Jim, nach Trost und Erklärungen suchend, zu Mrs. Kinkaid. Da habe dann eins zum anderen geführt, erzählte sie. »Und plötzlich waren wir ein kuscheliges
Pärchen.« Sie legte die Hände zusammen, um die Kuscheligkeit zu betonen. Kein Raum mehr zwischen den Fingern. »Das Beste an der Geschichte war«, fuhr sie fort und wartete ein paar Sekunden, damit sich Spannung aufbaute, »dass ich Dottie bat, meine erste Brautjungfer zu werden, was ich unter den gegebenen Umständen für sehr großzügig hielt. Aber sie lehnte ab. Kam nicht mal zur Hochzeit, so sauer war sie. Sie hatte nämlich ihre Meinung geändert und wollte Jim zurück. Doch es war zu spät. Als sie endlich merkte, was sie aufgegeben hatte, gehörte er schon mir.« Sie lächelte zufrieden. »Und Mr. Kinkaid und ich waren jeden einzelnen Tag unserer Ehe glücklich ... bis er dann leider verstarb.«
Tja, so was machte natürlich einiges kaputt.
»Vielleicht wird also diese Freundin von Hubert ihren Irrtum auch irgendwann einsehen, aber dann ist es zu spät. Bis dahin hat er sich in Sie verliebt.«
Jetzt ging ihre Fantasie eindeutig mit ihr durch. »Das glaube ich nicht«, widersprach ich. »Ich kenne Hubert seit siebzehn Jahren. Wenn er sich bis jetzt nicht in mich verliebt hat, wird er das nun auch nicht mehr tun.«
»Miss Lola Watson«, schalt sie schmunzelnd. »Sie haben mir gerade erzählt, er sei einer ihrer besten Freunde. Was meinen Sie denn, was ein Ehemann anderes ist als ein bester Freund? Das ist das Problem mit euch Frauen heutzutage! Ihr seid so sehr damit beschäftigt, zu überlegen, was ihr wollt, dass ihr nicht seht, was ihr habt. Wollen Sie nun verheiratet sein oder nicht?«
Sie hatte zweifellos noch mehr zu dem Thema zu sagen, doch glücklicherweise klingelte in diesem Moment das Telefon. Es war Mrs. Kinkaids Tochter, die wegen einer Krise mit
ihrem Kind anrief. Ich hörte, wie Mrs. Kinkaid so schnell und elegant das Thema wechselte wie ein Rennwagen die Spur.
Den restlichen Vormittag über waren wir fleißig – ich stellte ein Magazin zusammen und Mrs. Kinkaid kümmerte sich um ihre Finanzen. Sie rechtfertigte das offiziell damit, dass sie währenddessen angeblich auf zwei Rückrufe wartete.
Meine Strategie, Drews fehlende Artikel zu ersetzen, bestand darin, eine ähnliche Story umzuschreiben, die wir letztes Jahr veröffentlicht hatten, und einen Essay über dasselbe Thema dazuzusetzen. Das war das Schöne an Parenting Today : jedes Jahr wiederholten sich die Themen »Geburtstagspartys«, »Sommerurlaubsreisen«, »Schulbeginn« und so weiter. Ich hatte mir angewöhnt, kurze Essays zu schreiben und in Reserve zu halten, falls bei der Drucklegung mal eine Lücke auftauchen sollte. Die meisten Texte waren nostalgische Rückblicke mit einer Prise Humor. Hin und wieder bekam ich positive Rückmeldungen zu diesen Geschichten per E-Mail, die ich ausdruckte und in einen Ordner ablegte für die Tage, an denen ich eine Aufmunterung nötig
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