Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
Handtasche gefallen sein.«
»Sie war aber nicht in meinem Auto.« Ryan hob die Hände – durchsuch mich doch! »Ich kann mich nicht erinnern, sie gesehen zu haben.«
Eine Frage hatte ich noch. »Und welche Sendung wollte Chad unbedingt sehen?« Freitagabends lief nichts Besonderes, das wusste jeder.
»Was hast du nur für viele Fragen heute«, sagte Mindy lächelnd. Sie schob sich eine Locke hinters Ohr und neigte den Kopf zur Seite. Wahrscheinlich nahm sie an, sie sähe süß aus, aber eigentlich hatte sie dadurch nur einen schiefen Kopf.
Ryans Blick wanderte zwischen uns beiden hin und her. »Ich muss jetzt wirklich los«, sagte er, als wäre es ihm unangenehm. »Ich wollte nur mein Heilmittel für deinen Freund abgeben.«
»Ach, jetzt schon?«, erkundigte sich Mindy. »Ich dachte, wir könnten noch etwas zu viert machen, mit Hubert.«
Ryan lächelte mich an und alles war wieder gut. »Ich muss ein paar Verträge und E-Mails durchsehen, aber morgen Abend habe ich bestimmt Zeit, wenn das für dich passt, Lola. Ich ruf dich an.« Er nickte Mindy kurz zu. »Es war nett, dich kennenzulernen. Wir sehen uns auf der Hochzeit.«
Ich hakte mich bei ihm unter und führte ihn Richtung Wohnzimmer. »Du darfst den Vordereingang nehmen wie ein richtiger Gast. Mindy kann gern hinten rausgehen.« Ich warf ihr einen bösen Blick zu, der »Bleib da!« vermitteln sollte, doch sie kam uns trotzdem hinterher. Nachdem sie mir fünfundzwanzig Jahre aus dem Weg gegangen war, heuchelte sie nun schwesterliche Verbundenheit. »Mindy«, sagte ich, »wenn du bitte kurz hier warten könntest – ich möchte mit Ryan sprechen.« Sie antwortete nicht, zog jedoch die berühmte Schmollschnute. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie bald Botox für die kleinen Falten um ihren Mund brauchen.
Ich zog die Eingangstür hinter uns zu. »Ich bringe dich nach Hause, wenn du möchtest.«
Ryan spielte den Entsetzten. »Aber was, wenn die Nachbarn das sehen?«
»Glaub mir, sie werden es sehen«, erwiderte ich. »Diese Straße hat überall Augen. Daran kommt niemand vorbei.« Ich deutete auf Myras Haus nebenan. »Diese Gartenzwerge sind in Wahrheit verkleidete Spione.« Dann winkte ich in Richtung des Eckhauses. »Und Belindas Hunde haben ganz besondere Spürnasen.«
»Haben das nicht alle Hunde?«
»Nicht wie diese. Sie können weiter, schneller und genauer wittern als alle anderen Hunde auf diesem Planeten.«
Ryan beugte sich vor, so dass sein Gesicht meinem ganz nahe war. »Das ist faszinierend. Da lebe ich nun schon so viele Jahre hier und denke, es wäre einfach eine nette Nachbarschaft, und du hast innerhalb nur weniger Monate herausgefunden, was wirklich läuft.« Er legte seine Hand auf meinen Rücken. »Erzähl mir mehr.«
»Drüben bei den Chos«, sagte ich und deutete nach links, »beherrscht jedes einzelne Familienmitglied Taekwondo mit solcher Grimmigkeit ...«
»Ist Grimmigkeit ein Wort?«
»Ich glaube, ja, aber ich kann auch Entschlossenheit sagen, wenn dir das lieber ist.«
»Wie du willst.«
»Jedenfalls kann jedes einzelne Familienmitglied, ob Mann, Frau oder Kind, einen ausgewachsenen Mann binnen weniger Sekunden in die Knie zwingen, deshalb mussten wir uns in dieser Straße noch niemals Sorgen wegen Einbrechern machen.«
»Sogar die Kinder?«
»Selbst die kleine Cindy Lou, die kaum zwei Jahre zählt.«
»Das denkst du dir aus.«
»Nein, es ist alles wahr.«
»Dann sollten wir sehr behutsam vorgehen.« Er schob seine Hand um meine Taille. Schuldbewusst dachte ich daran, wann ich das letzte Mal dieses prickelnde Gefühl gehabt hatte: zehn Minuten zuvor mit Hubert. Ich wischte den Gedanken beiseite. Das hatte nichts zu bedeuten gehabt. Eine Frau musste schon sehr unfähig sein, wenn sie zehn Jahre damit verbrachte, nach ihrem Seelenverwandten zu suchen, um dann bei ihrem besten Freund aus der siebten Klasse zu landen. »Ich halte dich lieber fest, damit ich dich beschützen kann, falls ein rasender Eiswagen oder ein tosender Tornado auf uns zukommt.« Während wir die Straße überquerten, blickte Ryan immer wieder von rechts nach links wie ein Vorschulkind. »Ich glaube, wir sind sicher.«
»Das sollst du nur denken.«
Als wir auf seiner Veranda ankamen, fragte er: »Sind wir jetzt außer Gefahr?«
»Ich denke schon.« Seltsamerweise war gerade keiner der Nachbarn auf der Straße und es war auch kein Auto zu sehen. Das bedeutete jedoch nicht, dass wir nicht beobachtet wurden. Ausnahmsweise einmal hoffte ich es
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