Eine ungezaehmte Lady
Waldrand ging sie in die Knie und kroch weiter, bis sie Blick auf die Grasebene hatte, die sich bis zum Red River erstreckte. Dort rührte sich nichts. Doch als sie nach Westen schaute, konnte sie die schattigen Umrisse der Banditen ausmachen, die sich rasch näherten, und hörte Hufgetrappel. Die Männer gingen ein großes Risiko ein, ihre Pferde in der Dunkelheit so zur Eile anzutreiben.
Sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Das Herz klopfte ihr bis zum Halse, als sie den Beutel auf den Boden legte. Während das Hufgetrappel heranrückte, schlüpfte sie aus den Handschuhen und steckte sie in den Revolvergurt. Dann nahm sie vorsichtig einige empfindliche Gegenstände von unterschiedlicher Form und Größe aus dem Beutel und legte sie auf dem Trampelpfad aus, der von der Ebene ins Dickicht führte. Sie ordnete sie in drei Reihen an, und zwar die größeren vorne, die kleineren hinten. Und zu guter Letzt befestigte sie die Zündschnüre so, dass sie sie leicht erreichen konnte.
Lady holte tief Luft und versteckte sich hinter dem größten Busch am Wegesrand. Sie kauerte so nah am Pfad, dass sie ein Pferd hätte am Huf berühren können, falls sich ein Bandit zu weit vorwagen sollte. Dann griff sie noch einmal in den Beutel und entnahm ihm das letzte Utensil: eine Dose Zündhölzer. Sie öffnete den Behälter, in dem die Zündhölzer auch bei heftigem Regen stets trocken blieben, nahm drei Stück heraus und steckte die Dose in die Hosentasche. Die Zündhölzer mit dem Phosphorende nach oben haltend, damit sie trocken blieben, wartete sie auf die Desperados.
Als der Boden unter den Hufen ihrer Pferde erbebte, riss sie das erste Zündholz an der Sohle ihres Stiefels an. Die Hand schützend über die kleine Flamme gelegt, beugte sie sich über die Gegenstände, die direkt vor den heranpreschenden Pferden auf dem Weg lagen.
Die Flamme erlosch. Erschocken blickte sie auf, sah die düsteren, bedrohlichen Gestalten und hörte den keuchenden Atem der erschöpften Pferde. Doch sie durfte sich von der Gefahr nicht lähmen lassen. Sie riss das nächste Streichholz an, schützte wieder die Flamme und duckte sich so tief, bis sie beinahe den Boden berührte. Rasch setzte sie die erste Zündschnur und danach die zweite in Brand.
Lady schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie nicht niedergeritten werden würde, und griff zum letzten Streichholz. Mit zitternden Händen steckte sie alle Zündschnüre an, bis die erste Sprengladung in der sternenklaren Nacht explodierte.
8
» F euerwerkskörper!« Rafe kauerte sich neben Lady und ging vor dem Ansturm von bunten Farben und ohrenbetäubenden Geräuschen in Deckung.
Bis jetzt hatte er nur einmal gesehen, wie blaue, grüne, rote und gelbe Blitze und Blütenformen, begleitet von einem Lärm wie bei einer Geschosssalve, in den Nachthimmel aufstiegen. Weißer Rauch erhob sich, und der scharfe Geruch von Schießpulver wehte ihm in die Nase.
Die Pferde der Banditen scheuten erschrocken, warfen ihre Reiter ab und flohen mit donnernden Hufen vor diesem Anblick, der sie vermutlich ebenso ängstigte wie ein starkes Gewitter. Die Desperados blieben zu Fuß und ohne ihre Gewehre zurück.
»Sehr schlau!« Mit einem Auflachen fasste Rafe Lady an den Schultern. Es war klug von ihr gewesen zu erkennen, dass die Banditen völlig hilflos sein würden, wenn sie ihre Pferde verscheuchte.
Lady sah ihn grinsend an und griff nach ihrem Beutel. »So gewinnen wir ein wenig Zeit.«
»Lass uns abhauen.«
Als sie den Pfad entlanghasteten, war in der Ferne weiteres Geknatter zu hören, und Lichter blitzten. Er führte sie zu den Pferden, wohl wissend, dass er sie nur am Leben erhielt, um sie einem Richter zu übergeben, der für seine drakonischen Strafen berüchtigt war.
Sie war ihm ein Rätsel, eines, das einen Mann ein Leben lang beschäftigen konnte. Allerdings befürchtete er, dass diese Frau nicht alt werden würde. Wenn sie am Galgen endete, würde sie ihre Geheimnisse mit ins Grab nehmen. Diese Vorstellung und dass er eine Rolle dabei spielte, war ihm unerträglich. Doch er durfte nicht dulden, dass sie weiter unschuldigen Menschen Schaden zufügte. Vielleicht würde sie ja nur eine lange Haftstrafe bekommen.
Allerdings war das im Moment sein geringstes Problem. Zuerst einmal musste er am Leben bleiben, um sie überhaupt nach Fort Smith zu schaffen. Und was noch wichtiger war, er musste Richter Parker und Marshal Boles mitteilen, dass einer ihrer Untergebenen gemeinsame Sache mit dem Gegner
Weitere Kostenlose Bücher