Eine ungezaehmte Lady
Weile ihren Willen lassen. Er las laut vor: »Gesucht. Tot oder lebendig: Die Lady mit dem Colt.« Er blickte von der Zeichnung auf ihr Gesicht. »Gefällt dir dein Konterfei nicht? Ich gebe zu, es wird dir nicht ganz gerecht.«
Sie schaute sich kurz um und trat dann näher an ihn heran. »Das andere Plakat!«
»Gesucht. Tot oder lebendig: Rafe Morgan.« Er hielt inne, starrte auf das Plakat, las die Worte noch einmal und bemerkte, dass ihm vor Verblüffung der Mund offen stand.
Sie riss ihm die Steckbriefe aus der Hand und schwang sich auf ihr Pferd. »Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
15
»Hältst du mich etwa für einen Feigling?« Rafe starrte sie wütend an, richtete sich auf und ballte die Hände zu Fäusten.
»Nein«, blaffte Lady ihn an. »Ich glaube, dass wir beide in Gefahr sind, weil man uns beide aus irgendeinem mir unbegreiflichen Grund hängen will.«
»Wir werden jetzt auf direktem Weg zum Gefängnis reiten und dich hinter Gitter bringen. Und dann werde ich dieses Missverständnis, das mich betrifft, aufklären.«
Sie wedelte mit den Plakaten vor seinem Gesicht hin und her, und ihre Handschellen klirrten. »Glaubst du tatsächlich, sie würden dir eher glauben als deinem Steckbrief?«
»Ich bin ein Deputy U.S. Marshal.«
»Nicht mehr! Man hat dir dein Abzeichen abgenommen und dein Gesicht auf einen Steckbrief gezeichnet.« Sie streckte ihm den Steckbrief entgegen. »Hier, sieh nach. Du wirst nicht als Deputy Marshal bezeichnet.«
Er wippte auf seinen Absätzen. »Lampkin! Diese dreckige, hinterhältige Schlange.«
»Lass uns von hier verschwinden.« Sie zog ihren Hut herunter, um ihr Gesicht zu verbergen, und warf die Steckbriefe in den Schmutz.
Rafe schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht davonlaufen. Das entspricht nicht meiner Art. Ich muss klarstellen, dass Lampkin ein Überläufer ist, und nicht ich. Er hat gelogen. Und mir eine Falle gestellt.« Er starrte sie an. »Du wirst alles über Bend, die Gesetzlosen und alles andere erzählen.«
»Warum sollte ich dich vor dem Gefängnis retten, wenn du so scharf darauf bist, mich dort hineinzuwerfen?« Sie lenkte Jipsey nach Norden und warf Rafe einen Blick über die Schulter zu. »Hier sitzen wir auf dem Präsentierteller und sind leichte Beute. Kommst du mit?«
»Du benutzt das als Entschuldigung, um zu flüchten.« Er griff nach den Zügeln und schwang sich in den Sattel.
»Flucht?« Sie lachte. »Ich flüchte nicht.« Sie hätte am liebsten ihrem Pferd die Sporen gegeben und Rafe und Paris in dem Staub hinter sich gelassen, den die vier Hufe ihrer Stute aufgewirbelt hätten, aber das hätte zu große Aufmerksamkeit erregt. Also ließ sie Jipsey im Schritt vorwärts gehen.
Rafe kam an ihre Seite. »Ich glaube, in Fort Smith wären wir besser aufgehoben.«
»Das glaube ich nicht. Wir werden jetzt beide gejagt. Und zwischen hier und Arkansas liegen noch viele Meilen.«
Er sah sich um und hielt dabei die Hand über seinem Peacemaker.
»Wir werden überall beobachtet. Indianer. Gesetzlose. Bürger.« Sie versuchte, das Gefühl abzuschütteln, das sich in ihrem Rücken breitmachte – das Gefühl, als wäre sie bereits in der Schusslinie von jemandem, der mit dem Gewehr auf sie zielte. Und sie wollte, dass er das auch spürte.
»Deputy Marshals und die leichte Kavallerie«, ergänzte er.
Sie zuckte lächelnd die Schultern. »Wir sind so schmutzig und verwahrlost, dass uns selbst unsere eigenen Mütter nicht erkennen würden.«
»Mir geht es um Gerechtigkeit«, betonte er.
»Das klingt sehr prahlerisch.« Sie schaute in alle Richtungen und prüfte, ob sich etwas Ungewöhnliches tat. »Hast du dir den Fuchs selbst ausgesucht?«
»Er war ein Geschenk.«
»Von deiner Freundin?«
»Von meiner Schwester.«
»Deine Schwester hat dir dieses Pferd geschenkt, obwohl sie wusste, dass du ein Gesetzeshüter bist, der unerkannt bleiben will?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Sie würde mich interessieren.«
»Nicht jetzt.«
»Ich glaube allmählich, dass du für einen Mann des Gesetzes eine Menge Geheimnisse mit dir herumträgst.«
»Im Gegensatz zu dir.«
»Wir müssen alle tun, was wir tun müssen.« Sie sah sich noch einmal um, versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen und ihre Möglichkeiten abzuschätzen. Wenn sie erreichen würde, dass Rafe festgenommen wurde, könnte sie vor ihm flüchten, aber dazu müsste sie Aufmerksamkeit erregen. Leider würde sie selbst dann auch im Kittchen landen. Es
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