Eine ungezaehmte Lady
ich tun muss.«
»Das werde ich auch.«
Sie setzte ihren Hut auf und zog ihn tief in die Stirn. Sie schob einen Fuß in den Steigbügel, schwang sich auf Jipseys Rücken und sah zu ihm hinunter. »Burt und Bob werden mir jetzt helfen. Kümmere du dich um deinen eigenen Angelegenheiten.«
Ohne Rafes Antwort abzuwarten, gab sie ihrer Fuchsstute die Sporen und galoppierte den Pfad hinunter. Während sie sich immer weiter von ihm entfernte, hatte sie das Gefühl, ihr Herz bei ihrem Gesetzeshüter zurückzulassen.
34
Rafe ließ sie gehen. Es hatte keinen Sinn, sie weiter zu reizen. Sie mussten beide ihre Aufgaben erledigen, und es war besser, jetzt damit anzufangen. Er sollte sich glücklich schätzen. Wie oft im Leben hatte ein Mann eine Chance, eine Frau wie die Lady mit dem Colt näher kennen zu lernen? So gut wie nie. Aber anstatt sich darüber zu freuen, hatte er im Augenblick das Gefühl, dass er sie an eine Welt verlieren würde, die er ihr niemals würde bieten können. Und er hasste dieses Gefühl. Aber darüber nachzugrübeln half ihm nicht weiter. Er hatte keine Möglichkeit, Lady zu kontrollieren, aber er hatte eine Chance, Crystabelle und Lampkin zu finden. Und darauf musste er sich jetzt konzentrieren.
Als er sich auf Justices Rücken geschwungen hatte und dem Pfad folgte, spürte er schon wieder Sehnsucht nach dieser Frau, die er … nun ja, mochte, bewunderte und begehrte. Den Gedanken, dass er in Sharlot verliebt sein könnte, verdrängte er rasch. Sie konnte sein Leben ebenso rasch ruinieren, wie sie es ihm retten konnte. Nein, Liebe hatte hier nichts zu suchen. Sie befanden sich auf verschiedenen Seiten des Gesetzes. Sie hatten eine Vereinbarung, sich gegenseitig zu helfen, um ihre Ziele zu erreichen und ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Nicht mehr.
Nachdem er das gedanklich geklärt hatte – auch wenn sein Körper dagegen protestierte –, sah er sich sorgfältig um. Alles schien ruhig und friedlich, als er die niedrige Brücke am Forche Maline Creek überquerte und dem Pfad folgte, der steil nach oben in Richtung Nordosten führte. Während er sich seinen Weg durch dichtes Gestrüpp bahnte, hörte er Stimmen; es wurde gelacht, diskutiert, erzählt.
Als er ein breites, flaches Plateau erreichte, erhob sich vor ihm Robber’s Cave wie ein grauer Zylinder in den Himmel, der über das ganze Tal emporragte. Nackte Felsklippen bildeten die Seiten des Tafelbergs. Große Pinien, Eichen und andere Bäume schmiegten sich daran und wirkten wie ein buschiger grüner Bart.
Kein Wunder, dass Gesetzlose diesen Ort schätzten. Von dem Aussichtspunkt ganz oben konnte man in alle Richtungen meilenweit schauen. Niemand konnte sich hier unbemerkt anschleichen. Und Robber’s Cave war schwer zugänglich, was es noch idealer machte. Es überraschte ihn nicht, dass die Gesetzeshüter hier noch keinen einzigen Desperado geschnappt hatten.
Vor dem Tafelberg waren Gras und Gebüsch gerodet worden, und auf der weiten, offenen Fläche hatten sich etliche Menschen versammelt. Es handelte sich um eine Gruppe von Raubeinen, bewaffnet mit Sechsschüssern und Jagdmessern. Ihre Kleidung war aus mit Fransen besetztem Leder und grobem Baumwollstoff gemacht, und sie trugen Cowboyhüte und schwere Stiefel. Frauen in farbenfrohen Kleidern bahnten sich ihren Weg durch die Gruppen der Männer und boten Essen und Whiskey an, vielleicht auch mehr. Einige Männer saßen auf Baumstämmen und rauchten, andere spielten Poker.
Er sah sich nach Ladys Zelt um, konnte es aber nicht entdecken. Er nahm an, die Hayes-Brüder hatten dafür gesorgt, dass sie ungestört war. Wahrscheinlich ruhte sie sich aus, bevor sie sich für ihren Auftritt umzog. Burt und Bob sollten sich lieber nicht als ihre Zofen betätigen, sonst würden sie sich zumindest etwas von ihm anhören müssen. Er würde sie später suchen. Zuerst musste er sich die Gegend genau anschauen.
Als er zum Zentrum der Mesa ritt, sah er jede Frau, der er begegnete, genau an, in der Hoffnung, Crystabelle zu entdecken. Es war ihm egal, wie tief seine Schwester seit ihrer Entführung gesunken sein mochte. Auf die eine oder andere Art würde er ihr wieder auf die Beine helfen. Er musterte auch die Männer, aber er fragte sich, ob Lampkin tatsächlich so dreist war und hier auftauchen würde. Damit würde er riskieren, sein Doppelleben zu verraten.
Er stieg vom Pferd und ging weiter, bis er die berüchtigte Höhle sah, eine breite, dunkel gähnende Öffnung in Form eines Dreiecks mit
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