Eine ungezaehmte Lady
Lampkin. Trotzdem war sie gekränkt. Aber sie durfte sich nicht von ihren Gefühlen beeinflussen oder aufhalten lassen. Bob stand mit einem breitrandigen Cowboyhut in der Hand unten und behielt die Zuschauermenge im Auge. Burt hatte ihr eine Feldflasche mit Wasser und einen Schal bereitgelegt. Er würde sie ankündigen. Wer hätte gedacht, dass die Hayes-Brüder sich als so gute Schausteller erweisen würden? Vielleicht lag eine Zukunft in einem anderen Metier vor ihnen.
Sie sah sich noch einmal nach Rafe um, gab es dann auf und nickte Burt zu – das Zeichen, dass sie bereit war.
Er lächelte sie ermutigend an und trat neben sie. »Meine Damen und Herren«, rief er, und seine tiefe Stimme hallte weit über das Plateau. »Nehmen Sie Ihre Plätze ein und machen Sie sich bereit für …« Er deutete mit einer dramatischen Geste auf Lady. »Die einzigartige, die absolut göttliche … Lady mit dem Colt.«
Jubelrufe, Pfiffe und das Dröhnen von lautem Getrampel drangen von unten herauf.
Lady lief ein Schauer über den Rücken, und sie atmete tief durch. Auf diese Weise war sie noch nie vorgestellt worden, und sie wusste nicht so recht, wie sie darauf reagieren sollte. Ihre Magen krampfte sich zusammen und wies sie darauf hin, dass sie nicht so ruhig war, wie sie es sich gewünscht hätte. Vor einer so großen Menschenmenge zu singen machte sie nervös.
»Habt ihr gehört, dass ich sie als absolut göttlich bezeichnet habe?«, rief Burt und ermutigte das Publikum zu einer Bestätigung. Von unten riefen einige Ladys Namen.
»Die Lady mit dem Colt ist euer Star … heute, morgen und für immer.« Burt breitete die Arme aus, als wollte er das gesamte Publikum umarmen.
Lady konnte es kaum fassen, dass Burt die Leute für sie so in Stimmung brachte. Sie hoffte, dass sie nach dieser großartigen Vorstellung niemanden enttäuschen würde.
»Meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen«, rief Burt so laut, dass er das Lärmen der Menge übertönte, »die einzigartige … die singende Sensation … die Lady mit dem Colt.« Er machte noch einmal eine ausladende Geste in Richtung Lady und verschwand dann außer Sichtweite.
Jetzt stand sie allein da. Hunderte Menschen schauten zu ihr hinauf.
Sie wusste, dass sie laut und deutlich singen musste, damit ihre Stimme zu ihnen vordrang. Und sie wollte sich emotional mit jedem Einzelnen ihrer Zuhörer verbinden.
Einen Augenblick lang blieb sie wie erstarrt stehen, doch dann sah sie auf ihrer linken Seite eine Bewegung. Am Rand des Aussichtspunkts bäumte sich eine weiße Stute auf und schlug mit den Hufen durch die Luft. Während sich Lady verwundert fragte, wie das Pferd dorthin gekommen war, löste sich die Stute in Luft auf. Epona. Sie fühlte sich getröstet – sie war in dieser schwierigen Situation nicht allein. Man hatte sie nicht im Stich gelassen.
Und die Spinnengroßmutter hatte anscheinend ein Netz gesponnen, dass alle diese Menschen zur Robber’s Cave gebracht hatte. So viele Gesetzlose mit ihren Verwandten und Freunden würden sich normalerweise nie an einem Ort versammeln. Sie hätten Bedenken, zu viel Aufsehen zu erregen und sich den Gesetzeshütern auszuliefern. Sicher würde sie jetzt bald endlich für Gerechtigkeit sorgen können.
Lady wurde plötzlich ganz ruhig. Sie lächelte und breitete die Arme aus, als würde sie ihr Publikum umarmen wollen.
»Vielen Dank, dass ihr in diesen Teil des Choctaw-Lands gekommen seid. Ich weiß, dass ihr einige Lieblingslieder habt.«
Jubelrufe brandeten auf. »Zuerst möchte ich Swing Low, Sweet Chariot singen, das der freigelassene Sklave Wallace Willis komponierte, während er an der Spencer Academy, einer Missionsschule für Choctaw, arbeitete. Er wurde vom Red River inspiriert, der ihn an den Fluss Jordan erinnerte. Ich weiß, dass dieses Lied uns allen viel bedeutet.«
Ich blickte über den Jordan, und was sah ich da?
Jemand kam, um mich heim zu tragen.
Eine Schar Engel kam zu mir,
Um mich heim zu tragen.
Lady atmete tief durch. Es war ihr noch nie gelungen, so gut, so klar und so gefühlvoll zu singen. Ihre Stimme hallte über das Tal, als sei sie von Engelsflügeln getragen, und sie wusste, das waren der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort dafür.
Schaukle sanft, du schöner Wagen.
Du kommst, um mich heimzubringen,
Schaukle sanft, du schöner Wagen.
Du kommst, um mich heimzubringen.
Sie hatte das Gefühl, endlich nach Hause zu kommen, den Schmerz und den Zorn, der durch den schrecklichen Tod ihrer
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