Eine unzüchtige Lady
alles nur eine logische Schlussfolgerung und ergebe absolut Sinn, »diese Sache … wenn du mich kompromittierst, werde ich wissen, dass dein Heiratsantrag ernst gemeint ist.«
»Ich meine es ernst«, protestierte er. Was sollte er jetzt tun? Es gehörte nicht gerade zu seinem Erfahrungsschatz, ein unmoralisches Angebot von einer jungen, anständigen Dame zu bekommen. Ihre Zweifel an ihm waren bis zu einem gewissen Maß verletzend, aber er hatte ihr bisher wenig Grund geliefert, ihm zu vertrauen.
»Dann bist du einverstanden?«
»Wir können bis zu unserer Hochzeitsnacht warten.« Verzweifelt kämpfte sein Wunsch, sich wie ein Gentleman zu verhalten, gegen seine wachsende Erektion. Sie war ihm so nah, so verführerisch. Sie war das Ziel all seiner Wünsche, seiner Leidenschaft …
»Ich will nicht warten. Das hier ist wichtig für mich.«
Die Überzeugung in ihrer Stimme machte seine Zurückhaltung zunichte. Verdammt, was sollte er jetzt bloß tun? Auf Enthaltsamkeit bestehen? Die Frau, die er mehr als alles auf der Welt begehrte, bat ihn, sie in sein Bett einzuladen. Außerdem gibt es schon genug Gerüchte über ihre gelöste Verlobung, flüsterte ihm eine verräterische Stimme zu. Sie könnte sich kaum innerhalb kurzer Zeit wieder förmlich verloben, ohne dass die Gerüchte lautstarke Ausmaße annahmen. Eine schnelle Heirat in aller Stille war ohnehin geboten.
Derek versuchte es ein letztes Mal. »Ich bringe dich nach Hause.«
»Nein. Du hast mir deine Liebe erklärt. Beweise es.« Ihr Mund bebte. Nicht sehr, aber er bemerkte es.
Mit erstickter Stimme erwiderte er: »Ich habe es nicht bloß erklärt. Ich liebe dich wirklich.«
»Dann küss mich.«
Er wollte sie berühren, wollte ihre weichen Rosenlippen küssen, wollte sie an sich drücken und ihr eine Ahnung von dem schenken, was sein könnte.
Was sein würde . Er wusste, wie man einer Frau Lust schenkte, wie man dieses erhitzte Seufzen und die subtilen Bewegungen hervorrief, wie man sie an den Rand der Ekstase brachte und sie im richtigen Moment über diesen höchsten Gipfel trieb.
Annabel blickte zu ihm auf. Sie war so schön, dass sein Atem stockte. »Verstehst du jetzt, wie es für mich ist?« Ihre Stimme war leise, ihre Augen wirkten trüb.
»Im Laufe des letzten Jahres«, erzählte er ihr vorsichtig, weil er sich auch etwas dünnhäutig fühlte, »habe ich eine Menge über vereitelte Liebe gelernt, Annie.«
»Zeig es mir. Ich denke, ich werde auch das verstehen.«
Er konnte ihr nicht widerstehen. Das Verlangen, sie in den Armen zu halten, war zu groß. Ebenso war es mit dem azurblauen Schimmer in ihren Augen. Derek umfing ihr Gesicht mit den Händen. Seine Daumen glitten über ihre Wangen, wurden feucht von der verräterischen Nässe. Seine Lippen strichen über ihre Augenbrauen. »Lass es mich dir erklären. Wir können unsere Erfahrungen vergleichen. Es ist eine Qual, aber zugleich ist es das größte Vergnügen. Es ist ein großer Herzschmerz, zugleich auch Freude. Es ist ein Wunder, es ist zugleich auch Verzweiflung. Komme ich dem nahe?«
Ein Nicken, beinahe unmerklich.
»Annie.« Sein Mund senkte sich zu ihrem.
»Ja.«
Ihre Lippen trafen aufeinander, berührten sich, trennten sich, trafen wieder aufeinander. Nach all den zahllosen Frauen, nach zahlreichen unverbindlichen Tändeleien, den leichtherzigen Schlagabtäuschen und sorglosen Momenten in verbotenen
Schlafzimmern hatte er noch nie so empfunden. Nie diese aufwallende Zärtlichkeit, nie ein so verzehrendes Verlangen, nie so schmerzende Lust.
Gewöhnlich rühmte er sich einer gewissen Finesse - das war allgemein bekannt -, doch als Annabel sich an ihn schmiegte, erschauderte ihr schlanker Körper, und er verlor jegliches Gefühl für die Realität oder dafür, was er gerade tat. Er konnte nur daran denken, wie warm und seidig weich sich ihr Mund an seinem anfühlte, wie das schüchterne, zärtliche Streicheln ihrer Zunge wie ein Blitz die Lust bis in seinen Unterleib jagte, dass sie himmlisch schmeckte.
Der Planet hätte in diesem Moment aufhören können, sich zu drehen, jeder Vogel auf Erden könnte verstummen, die Ozeane vertrocknen. Seine Welt hätte sich kaum mehr verändern können.
Er genoss diesen Moment, dehnte ihn aus, schmeckte sie, reizte sie, flüsterte ihren Namen in ihr Ohr und hielt sie mit einer Hand an ihrem Rücken fest an sich gedrückt.
Aber schließlich gab es keinen Grund mehr dafür; er musste den Kopf heben und sie anblicken.
Er sah in ihre Augen und
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