Eine unzüchtige Lady
eine Augenbraue. »Sie verfügt über beachtliche Energie, und ich muss gestehen, ich gebe mir große Mühe, ihr aus dem Weg zu gehen, damit es nicht zu übermäßig viel Kontakt kommt. Ich respektiere und verehre sie, aber sie wird nie aufhören zu versuchen, mein Leben nach ihrem Gefallen zu formen.«
Ihr Vater und ihre Tante hatten die Dinge in ihrem Leben geregelt, was definitiv nicht Carolines Willen entsprochen hatte, weshalb sie seine Vorsicht durchaus nachvollziehen konnte. Sie murmelte: »Immerhin seid Ihr der Herzog. Niemand kann Euch zu irgendetwas zwingen.«
Nicholas bedachte sie mit einem knappen Blick. »Ich verstehe
Eure Empfindung, aber macht nicht den Fehler zu glauben, ich hätte keine Verpflichtungen. Die hat jeder, auch wenn es uns nicht gefällt. Titel sind keine Blankovollmacht. Glaubt mir.« Er bewegte sich nur leicht. Wie ein Panther, der sich nach einem Nickerchen in der heißen Nachmittagssonne streckte. »Ihr sagtet vorhin, Eure Tante sei bereits verstorben. Was ist mit Eurem Vater?«
Nun gut. Sie hatte ihn nach seiner Familie gefragt. Caroline schüttelte den Kopf. »Er ist noch in York, und wir sind zu der stillschweigenden Übereinkunft gelangt, dass wir einander ignorieren. Ich war kein Sohn.«
»Ah.« Als Erbe eines Herzogtums sagte dieses einzelne Wort ihr, dass er recht gut verstand, was sie meinte.
Die Erinnerung an Franklins letzten Besuch kam ihr wieder in den Sinn. Mühsam unterdrückte sie ein unangenehmes Zittern. »Der Cousin meines Mannes - der aktuelle Lord Wynn - ist der Einzige, den ich wohl zu meiner Familie zählen könnte. In seinem Fall wäre es mir lieber, er wäre nicht Teil meiner Familie.«
Ihr Gesichtsausdruck musste sehr vielsagend sein, denn Nicholas runzelte die Stirn. In seinem Sessel ausgestreckt, ganz der entspannte Mann, strahlte er unbewusst eine Arroganz aus, als läge es in seiner Hand, die Dinge zu ändern. »Er bereitet Euch Schwierigkeiten?«
»Das würde er gern«, gestand sie.
»Kann ich Euch meine Hilfe anbieten?«
Ihr Leben gehörte ihr, und darum hatte sie hart gekämpft. »Warum solltet Ihr mir das anbieten?«, forderte sie ihn heraus. »Und warum sollte ich Euer Angebot annehmen?«
Nach einem Augenblick, in dem sie einander nur anblickten, lächelte er. »Ich bin nicht sicher. Bei keiner der beiden Fragen.« Leise fügte er hinzu: »Außer dass ich es mag, mit Euch hier zu
sein. Das hier«, er umfasste mit einer Geste den gemütlichen Raum und den Tisch, auf dem noch das Geschirr stand, »gefällt mir.«
Was für eine einfache Aussage. Und doch lag so viel Macht in seinen Worten. Es war keine Anspielung, nicht einmal so subtil, wie sie es von ihm erwartet hätte. Sondern bloß eine Aussage, die umso überzeugender vorgetragen wurde, weil darin die Möglichkeit lag, er meine es aufrichtig und sage es nicht nur, um sie zu bezaubern.
»Gefällt Euch?« Sie hob eine Augenbraue und erwiderte sein Lächeln.
Der Duke of Rothay lehnte sich in seinem Stuhl zurück, streckte die langen Beine aus und hielt das Portweinglas in der Hand. »Ich finde, der Begriff ist angemessen. Sollte ich es anders ausdrücken?«
»Nein.« Sie antwortete, ehe sie darüber nachdenken konnte.
Die Erinnerung an den heftigen Ausbruch ihrer Lust, den er ihr an diesem Nachmittag beschert hatte, drängte sich ihr wieder auf. Einige Male ertappte sie sich dabei, wie sie ihn geradezu ungläubig über den Tisch hinweg betrachtete. Es war nicht nur die Tatsache, dass sie hier war, mit ihm. Dass sie eines der schamlosesten Dinge - nein, das schamloseste überhaupt - ihres bisherigen Lebens tat. Es war auch der Umstand, dass er nicht der war, den sie erwartet hätte. Zum Teil stimmte seine Persönlichkeit mit ihrer Vorstellung überein; das Charisma des verwegenen Aristokraten war sehr präsent, aber das war nur die polierte Oberfläche. Der Mann darunter schien überhaupt nicht berechnend zu sein. Es ging ihm auch nicht bloß darum, seine eigene Lust zu befriedigen. Am Nachmittag hatte er gewusst, dass sie ihm gestatten würde, sie zu verführen, aber er hatte beschlossen, gerade das nicht zu tun, obwohl sie mehr als deutlich gesehen hatte, wie bereit er für sie war. Das Erlebnis hätte sie vielleicht
als erniedrigend empfunden, weil er so schnell bemerkt hatte, wie nervös und ängstlich sie war. Aber die Sensibilität, die er an den Tag legte, kam für sie unerwartet.
Ein einfühlsamer Wüstling. Hmmm. Das war eine interessante Facette an ihm, die sie nicht erwartet
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