Eine unzüchtige Lady
schneller, lebhafter Witz, das unvergleichliche Blitzen in ihren Augen, wenn sie ihn anblickte.
Er hatte im Laufe der Zeit unzählige Frauen verführt, bezaubert und für sich gewonnen. Diese junge Dame aber - kaum mehr als ein Mädchen - sollte eigentlich auf sein Leben und seine Gefühle keine Wirkung haben.
Doch genau das war passiert.
Später an diesem Abend, als Isabella Bellvue ihn im Wintergarten in die Ecke drängte, hatte er ihren Offerten nicht länger widerstanden. Irgendwas musste er tun, um das Bild von Annabels Gesicht aus dem Kopf zu bekommen. Es war sein Pech oder vielleicht Schicksal, dass sie just in diesem Moment hereinkam, weil sie ihn suchte.
Der enttäuschte Ausdruck auf Annabels Gesicht, ehe sie auf dem Absatz umdrehte und aus dem Raum floh, würde sich für immer in seine Erinnerung graben. Am nächsten Tag hatte er
dem Ganzen noch eins draufgesetzt und seine Sünde noch mehr kompliziert, indem er Manderville Hall mit Ziel London verließ, ohne jemanden davon zu unterrichten. Im folgenden Jahr hatte Annabel kaum mit ihm gesprochen. Er nahm es ihr nicht übel. Zweimal hatte er versucht, eine lahme Entschuldigung für sein Verhalten vorzubringen, doch beide Male hatte sie ihn einfach stehen lassen, ehe er auch nur ein paar Worte hervorgebracht hatte. Nach dem zweiten Mal schwor er sich, den Vorfall einfach zu vergessen. Sie zu vergessen. Die Welt war voll mit schönen Frauen, die ihn nicht verachteten.
Kluge Worte, aber der Geist dieses Kusses klang weiter in ihm nach.
Er war zu dem Schluss gelangt, dass er sie nicht so leicht aus seinem Leben verbannen konnte. Aber das zählte jetzt kaum mehr. Sie hatte ihn aus ihrem Leben verbannt, als sie sich mit einem anderen Mann verlobte.
»Wenn ich nicht so ein verdammter Narr wäre.« Derek seufzte schwer.
»Im Grunde stimme ich dir zu.« Thomas lächelte sein gütiges Lächeln. »Aber andererseits können die wenigsten das Gegenteil von sich behaupten. Die Frage ist doch, wie sehr du dir wünschst, den Schaden wiedergutzumachen. Meiner Meinung nach ist Annabels andauernde Verachtung ein Zeichen für ihre starken, unterschwelligen Gefühle. Als sie ein Kind war, hat sie dich verehrt, und als sie zur Frau wurde, schien sich dieses Gefühl zu vertiefen. Dich in einer kompromittierenden Situation mit einer anderen Frau zu überraschen war für sie vermutlich sehr schmerzvoll. Vielleicht solltest du versuchen, den Schaden zu reparieren.«
»Sie redet kaum mit mir. Und im Übrigen ist sie einem anderen fest versprochen, falls es deiner Aufmerksamkeit entgangen sein sollte.«
Thomas blickte nachdenklich dorthin, wo sie mit ihrem Verlobten beisammenstand. »Was ich aber bemerkt habe, Derek, ist Folgendes: Sie ist nicht glücklich. Egal, welche Fassade sie der Öffentlichkeit zeigt. Ich finde, Hyatt ist ein liebenswerter Mann, und sie mag ihn ausreichend, aber es ist keine Liebesheirat. Nicht von ihrer Seite.«
»Die meisten standesgemäßen Ehen sind das nicht.« Derek sprach mit der Verantwortung eines Mannes, der um die Wahrheit seiner Worte wusste. Es gehörte dazu, wenn man der guten Gesellschaft angehörte. Man brauchte keine Liebe, um eine für alle Seiten vorteilhafte Verbindung zu schmieden.
Thomas ließ sich nicht beirren. »Wir wissen beide, dass Annabel verdient, ihr Glück zu finden und nicht bloß Zufriedenheit.«
Dieses Gespräch führen und ein leeres Glas? Keine der beiden Aussichten war besonders reizvoll. Derek gestikulierte hilflos. »Es scheint mir, sie hat ihren Weg gewählt.«
»Vielleicht würde eine andere Möglichkeit ihrem Weg eine andere Richtung geben. Sag mir eins: Wenn sie frei wäre und du sie davon überzeugen könntest, dir eine zweite Chance zu geben - würdest du sie dann heiraten?«
»Ja.«
Grundgütiger, er hatte nicht einmal gezögert. Er brauchte etwas Stärkeres als bloß Claret. Hatte er gerade gesagt, er könne sich eine Ehe vorstellen?
Onkel Thomas warf ihm ein wissendes Lächeln zu und bemerkte ironisch: »Du siehst, du bist nicht immer der Narr. Wenn man mal von deiner neuesten, ungeheuerlichen Wette mit Rothay absieht.«
»Gehört kaum zu meinen besten Ideen«, gestand Derek. In ihm zog sich alles zusammen. »Aber Annabels Verlobungsankündigung war an jenem Morgen in der Zeitung. Mich bis zur Besinnungslosigkeit
zu betrinken schien mir der einzig erträgliche Ausweg zu sein.«
»Ist es das jetzt auch?«
»Gefühllosigkeit hat hin und wieder seine Vorteile.«
»Du musst«, verkündete Thomas,
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