Eine unzüchtige Lady
an.
Im Gegenzug starrte er auf ihren Mund. Dann legte er seine Hand sehr behutsam auf ihre Taille. »Ich denke, Ihr habt recht.«
Küsst mich. Lasst mich jenen ersten Kuss vergessen, lasst mich ihn vergessen …
Als er seinen Kopf senkte, schloss sie die Augen und wartete.
Zu ihrem Leidwesen war der Kuss allzu schnell vorbei. Das Einzige, was Alfred tat, war, seine geschlossenen Lippen für zwei, höchstens drei Herzschläge auf ihre zu drücken. Dann trat er zurück.
Dieses Mal wurde die Erde nicht erschüttert. Dieses Mal - mit dem Mann, den zu heiraten sie zugestimmt hatte - war der Kuss eine ziemlich langweilige Erfahrung. Er lächelte sein bekannt ernstes Lächeln und wirkte irgendwie triumphierend. Annabel gab hingegen ihr Bestes, die vernichtende Enttäuschung zu verbergen. Es war eine Sache, um einen Kuss zu bitten; es war etwas völlig anderes, ihm zu sagen, dass er sich nicht gerade geschickt anstellte. Natürlich war er ein sehr anständiger junger Mann, daher würde er ihren Mund nie mit seinem aufzwingen und sie mit der Zunge verschlingen, während ihre Lippen sich auf jene sündige und zauberhafte Weise trafen, dass ihr die Knie weich wurden. Was hatte sie denn erwartet?
So fröhlich wie möglich sagte sie: »Wir sehen uns dann morgen früh, Mylord.«
Nachdem er gegangen war, sank sie unglücklich in sich zusammen und starrte auf eine Kristallvase mit Treibhausrosen, die auf einem polierten Holztisch am anderen Ende des Raums stand. Alfred hatte die Blumen vor ein paar Tagen mitgebracht.
Einige der gelben Blüten begannen zu welken und wurden an den Rändern braun. Sie ließen schon die Köpfe hängen.
Er war wirklich ein aufmerksamer Mann. Rücksichtsvoll, höflich und sehr geeignet. Er würde einen guten, pflichtbewussten Mann abgeben und sie stets mit Respekt und Zuneigung behandeln.
Liebte er sie? Das hatte er nie so gesagt, und sie bezweifelte, dass sich hinter seinem Heiratsantrag wahre, leidenschaftliche Gefühle verbargen. Sie stammte aus einer guten Familie und war begütert. Und sie wusste, dass er ihr Aussehen bewunderte. Kurz gesagt, sie war eine gute Partie, und er war auf der Suche nach einer geeigneten Frau.
Gütiger Himmel, geeignet. Wie sehr sie dieses Wort plötzlich verabscheute.
Derek hörte das bekannte Murmeln männlicher Stimmen, das hin und wieder durch ein Lachen unterbrochen wurde. Er nickte dem Kellner zu. »Ist der Duke anwesend, Frederick?«
Der so Angesprochene war ebenso makellos gekleidet wie die Stammgäste des Clubs. Der junge Mann neigte den Kopf. »Guten Abend, Mylord. Ja, er ist tatsächlich da. Er sitzt am üblichen Tisch.«
»Danke.«
In der Luft hing der Geruch nach Tabak, überlagert von Brandy. Er passierte einige Tische, an denen er begrüßt wurde und weshalb sein Vorankommen sich verzögerte. Als er schließlich die Ecke des Raums erreichte, sah er Nicholas. Dieser hatte sich gewohnt lässig in einem Sessel ausgestreckt. Ein leises Stirnrunzeln lag auf seinem Gesicht. Langsam trank er seinen Brandy.
Ohne Begrüßung setzte Derek sich in den Sessel gegenüber und nahm sich ein Glas. Sein bevorzugter Whisky stand schon bereit. Das Personal arbeitete sehr effizient. »Ich habe deine
Nachricht erhalten. Du bist früher zurückgekommen, wie ich sehe.«
»Der Premierminister hat mich darum gebeten.«
»Ah. Das abzulehnen ist immer schwierig. Lord Liverpool ruft, und wir springen.«
»So ist es.«
Eigentlich hatte der Tonfall von Nicholas’ Nachricht etwas barsch geklungen, und Derek war verständlicherweise verdammt neugierig, wie die Woche verlaufen war, die sein Freund auf dem Land - und in den Armen von Lady Wynn - verbracht hatte. »Sag mir, war es eine Erleichterung zurückzukehren? Du warst wie lange dort? Fünf Tage? Ich würde sagen, das ist für dich eine ziemlich lange Zeit in Gesellschaft einer einzigen Dame.«
»Kommt auf die Dame an.«
Das war für den stadtbekannten Lebemann ein recht neuer Gedanke. »Und in diesem Fall?«
Nicholas hob sein Glas und nahm einen Schluck, ehe er antwortete. »Eigentlich war ich enttäuscht, weil ich den Aufenthalt abbrechen musste.«
Dereks Interesse war geweckt. »Darf ich das so verstehen, dass unsere liebliche Caroline ihrer Schönheit alle Ehre gemacht hat?«
»Mehr als das, ja.« Nicholas warf ihm einen eindringlichen Blick zu.
»Das ist eine kleine Überraschung. Auch wenn sie natürlich sehr attraktiv ist, habe ich nicht erwartet, dass sie sich zwischen den Laken als ein kleines,
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