Eine unzüchtige Lady
gefühllos. Jetzt hatte sie diese Fähigkeit offenbar verloren. Caroline räusperte sich. »Bitte fragt mich das nicht.«
»Das verstehe ich als ein dröhnendes Ja. Wundervoll.«
Das war eine verblüffende Reaktion. Caroline fühlte sich verloren. Dieses Thema war schlimmer als der wahre Grund seines Besuchs. Verstand sie es falsch, oder hatte er soeben angedeutet, dass es gut war, wenn sie eine hoffnungslose Neigung für einen Mann entwickelte, der weithin für seine Gefühlskälte bekannt war, sobald er sich in seine Affären stürzte?
Er fuhr fort. »Entschuldigt Euch nicht, weil wir der gemeinsamen Zeit verlustig gehen, Lady Wynn. Es wäre ohnehin nicht dazu gekommen, egal was zwischen Euch und Nick ist oder nicht. Ich habe ein Ende gemacht mit diesen bedeutungslosen
Liaisons mit Frauen, die nur kurzfristiges Vergnügen zu schätzen wissen. Lasst mich offen mit Euch sein. Die Wette war direktes Ergebnis eines frustrierten Augenblicks, den ich dem Umstand schulde, dass die Frau, die ich mit Leib und Seele liebe, einen anderen Mann heiraten wird.«
Hatte die Uhr in der Zimmerecke schon immer so laut getickt? In diesem Raum machte sie ihre Buchhaltung, und die Uhr war ihr nie aufgefallen. Das Ticken war das einzige Geräusch, das die Totenstille durchbrach, während sie ihren Besucher mit unverhohlener Überraschung anstarrte.
Hatte Lord Manderville wirklich gerade verkündet, er habe sich verliebt? Ein ungebetenes Lachen stieg in Caroline auf. Sie konnte die Heiterkeit nicht aufhalten, die sich Bahn brach. Es war einerseits das aufrichtige Vergnügen, andererseits aber auch die Erlösung aus einer nervösen Anspannung, die sich in den letzten Tagen kontinuierlich aufgebaut hatte.
Seine dunkelblonden Brauen hoben sich in zwei perfekten Bögen. »Das findet Ihr amüsant? Ich bin froh, dass Ihr so denkt. Aber ich für meinen Teil fühle mich, als wäre ich der elendste Mann ganz Londons.«
Es gelang ihr, den Kopf zu schütteln und nach Luft zu schnappen. Sie presste die Hand auf den Bauch. »Nein, Mylord. Ich lache nicht über den tragischen Teil Eurer Rede. Aber Ihr müsst zugeben, dass es in gewissem Sinne schrecklich komisch ist. Nicholas hat mir eigentlich während unserer Zeit in Essex unmissverständlich deutlich gemacht, er wolle nur aus Liebe heiraten. Und jetzt steht Ihr vor mir und erzählt mir, Euer angeblich so kaltes Herz sei gebrochen. Niemand in der guten Gesellschaft wird mir das glauben.«
Der Earl war verdutzt, doch besaß er die Gnade zu lächeln. »Ich vermute, da habt Ihr recht.«
Caroline musste zugeben, dass sie neugierig war. »Wer ist sie?«
»Annabel Reid. Das Mündel meines Onkels.«
Sie nahm diese Eröffnung geradezu ungläubig auf. Miss Reid war sehr jung und der Inbegriff einer unverbrauchten Unschuld. Sie war es, die das Herz des verruchten Engels erobert hatte? Ein junger Fratz, kaum dem Schulzimmer entwachsen, und dann auch noch Mündel seines Onkels? Die junge Frau war unbestreitbar sehr schön, aber er gab sich gewöhnlich nicht mit unverheirateten jungen Damen ab. Das war weithin bekannt.
»Ihr seid überrascht«, interpretierte er ihre Miene richtig. »Nun, mir ging es nicht anders. Aber es ist die Wahrheit. Mich überrascht auch Nicholas’ Reaktion auf Euch. Aber vielleicht sollte es so kommen. Ich hoffe jedenfalls, wir können unsere Kräfte vereinigen. Gesetzt den Fall, Ihr seid Nicholas so verfallen, wie er offensichtlich Euch verfallen ist.«
Sie war mehr als das - und das war ihr Problem. Aber sie versuchte, dem Thema auszuweichen. »Ich glaube nicht, dass der Duke und ich uns lange genug kennen, um die Tiefe unserer Gefühle füreinander ausloten zu können.«
Lord Manderville schnaubte leise. »Er war heute Nachmittag eifersüchtig, als er mit mir redete. Ich erkenne diese Gefühlsregung nur zu gut. Er war um Euch besorgt, unruhig, unglücklich, verwirrt, über sich selbst verärgert …«
»Mylord, wenn Ihr das so erzählt, klingt es nach einer schrecklichen Krankheit.« Caroline unterdrückte ein weiteres Lachen, das ihr im Hals kribbelte, und bekämpfte das plötzliche Aufflammen von Hoffnung. Etwas Schmerzliches zeichnete sich auf seiner Miene ab.
»Ihr könnt mich beim Wort nehmen, das ist es.« Sein Mund verzog sich, und er zögerte einen Moment lang. »Seht Ihr, Mylady, ich kenne Nick schon lange. Seit unserer ersten Begegnung im Salon des Gasthofs gab es einen Funken zwischen Euch. Ich habe es damals bemerkt, aber ich redete mir ein, es wären
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