Eine unzüchtige Lady
er aber bereits den Beweis durch mein früheres Scheitern.«
»Euer Argument ist also, er solle besser ein blasses, junges Mädchen heiraten? Ich habe gedacht, Ihr hättet mir erzählt, er wolle nur aus Liebe heiraten.«
Führte sie wirklich gerade diese tiefsinnige Diskussion mit einem stadtbekannten Wüstling? Redeten sie allen Ernstes über Romantik und Ehe?
Weder Nicholas noch Derek Drake waren so, wie sie in der Gesellschaft dargestellt wurden. »Wir wissen nicht, ob er irgendwelche Gefühle für mich entwickelt hat«, betonte Caroline. »Mal abgesehen von seiner körperlichen Anziehungskraft.«
»Im Gegenteil. Ihr habt ihn heute Nachmittag nicht gesehen.« Derek richtete sich auf. »Sagt mir eins, Mylady. Wenn Ihr nur ein Wort hättet, um die Zeit zu beschreiben, die Ihr mit ihm in Essex verlebt habt … Welches Wort wäre das?«
Ein Wort? Es war unmöglich, die sonnenbeschienenen Täler, die unbeschreibliche Leidenschaft, sein atemberaubendes Lächeln und den stummen Walzer mit nur einem Wort zusammenzufassen.
Aber sie konnte es wenigstens versuchen.
Schließlich sagte sie mit beinahe unhörbarer Stimme: »Magisch.«
Er nickte. An seiner Miene konnte sie deutlich ablesen, wie wenig es ihr gelang, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen. »Also dann. Würdet Ihr gern hören, was ich mir überlegt habe?«
Kapitel 19
Zwei Tage. Der Refrain hämmerte selbst dann in seinem Kopf, wenn er so etwas Simples tat, wie Marmelade auf ein Stück Toast zu streichen. Im Gegensatz zu dem einfachen, sonnigen Frühstückszimmer, in dem er in Essex mit Caroline gefrühstückt hatte, erinnerten ihn die hohe Decke, der große, auf Hochglanz polierte Tisch und die Schar Diener, die sich diskret im Hintergrund bewegten, während sie krossen Speck und Eier nachfüllten, daran, dass nichts in kleinem Umfang erledigt werden konnte. Daran war Nicholas zwar gewöhnt - bisher hatte er kaum einen Gedanken an diesen Umstand verschwendet -, aber plötzlich rückte der herzogliche Prunk in sein Blickfeld. Und das nur, weil er sich so intensiv mit einer sehr hübschen, unerreichbaren Witwe beschäftigt hatte.
Caroline bevorzugte ihren Toast ohne Aufstrich. Sie nahm Milch zum Tee, aber keinen Zucker. Wenn die Sonne ihr Haar berührte, schimmerte es in einem einzigartigen Farbton wie …
»Du scheinst tatsächlich in Gedanken eine andere Welt zu bereisen, mein Lieber.Was lenkt dich heute früh so übermäßig ab?«
Nicholas blickte überrascht auf. Seine Tasse verharrte mitten in der Luft. Lieber Himmel, er hatte sich Tagträumen hingegeben wie ein vernarrter Idiot!
Was sollte er bloß machen? Ausgerechnet seiner Mutter erzählen, er sei völlig in den Gedanken vertieft, dass Lady Wynn ihm noch zwei weitere Tage körperlichen Vergnügens schuldete, um die Wette mit Manderville zu Ende zu bringen? Er gab sich keiner Illusion hin; seine Mutter hatte höchstwahrscheinlich von der Wette gehört. Bisher hatte sie aber nicht davon gesprochen. Er war ihr nicht dankbar, weil sie nicht auf diesen taktlosen Wettstreit unter Männern zu sprechen kam, denn er war sicher, sie missbilligte sein Vorgehen. Sie sollte zumindest ihrer Missbilligung in dieser Sache Ausdruck verleihen. Was passiert war, konnte jedoch nicht wieder rückgängig gemacht werden. Weder die Wette, die ordnungsgemäß in den Büchern des Wettbüros verzeichnet war und über die ganz London sich das Maul zerriss, noch jene fünf aufschlussreichen Tage mit Caroline.
Die würde er jedenfalls nicht ändern wollen. Aber sie hatten sich auf sieben Tage geeinigt.
Ja, sie schuldete ihm noch zwei Tage. Sie hatte abgelehnt, aber vielleicht gelang es ihm, ihre Meinung zu ändern. Der Gedanke ließ ihn nicht los.
»Ich habe eine anstrengende Woche hinter mir.« Er stellte die Tasse mit übertriebener Vorsicht neben seinen Teller und betupfte mit der Serviette seinen Mund. »Tut mir leid, wenn ich dich nicht ausreichend beachte.Vergib mir, bitte.«
»Ich vergebe dir, mein Lieber. Aber ich würde gern wissen, was dich so dreinschauen lässt.« Von der anderen Seite des Tisches betrachtete sie ihn mit gerunzelter Stirn und rührte nachdenklich in ihrer Schokolade.
»Was meinst du?« Er seufzte still. Schließlich war es eigentlich sein Fehler, dass er nur an Caroline denken konnte. Wenn daraus ein Verhör seiner Mutter erwuchs, war es allein seine Schuld.
Aber er konnte sie anscheinend nicht aus seinen Gedanken verbannen.
Seine Mutter griff anmutig nach dem Porzellankännchen auf dem
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