Eine verlaessliche Frau
Tisch Zigaretten. Er redete endlos von Saint Louis und seinem Zauber.
Truitt öffnete für ihn seinen alten Weinkeller, und jeden Abend betrank sich Antonio mit den kostbaren Weinen, die man vor zwanzig Jahren dort eingelagert hatte, teure Lagen, die überaus selten waren. Clarets, Bordeaux und Burgunder, die man aus Europa hatte kommen lassen, als das Haus voller Freunde seiner Mutter gewesen war. Es war Antonio egal. Er wollte sich bloà betrinken und seinen Vater beleidigen.
»Das Haus ist kalt. Meine Zimmer sind kalt. Ich friere die ganze Zeit an meinen FüÃen.«
»Das Haus ist alt und groÃ. Vielleicht sind deine Kleider â¦Â«
»Und was soll ich dann tragen? Der Trick, Vater, ist nicht, andere Kleidung zu tragen, um sich der Umgebung anzupassen, sondern die Umgebung zu verändern, damit sie zu den Kleidern passt. Du bist reich. Also tu etwas.«
»Bald kommt der Frühling.«
»Und dann wird es warm sein, und es wird trotzdem nichts zu tun geben.«
So ging es weiter und weiter, Truitt behielt seine Geduld, und Antonio hatte für alle Bemühungen seines Vaters, ihm seine Güte zu demonstrieren, nur Verachtung. Das Geld bedeutete ihm nichts. Jede Nacht im vergoldeten Bett seiner Mutter zu schlafen, bedeutete ihm nichts. Sein früheres Kinderzimmer wiederzusehen, in dem immer noch sein altes Spielzeug lag, bedeutete ihm nichts. Antonio hatte kein empfindsames Herz. Er wollte keine Rührung zeigen. Er war gekommen, um den Tod zu bringen.
»Leute, die ihre Tage mit so einer Arbeit verbringen, vergeuden bloà ihr Leben. Wir leben nur für die Kunst.«
»Ich habe das auch so empfunden. Ich empfinde es immer noch so. Ich habe mir das hier nicht ausgesucht. Es gab halt niemand anderen.«
»Und eines Tages wird dies alles meins sein? Ich werde es verkaufen und ein schönes Leben haben.«
»Es ist das, was diese Familie seit hundert Jahren macht. Es gibt keinen einzigen Menschen in der Stadt, der nicht auf die eine oder andere Art davon abhängen würde.«
»Das sind alles kleine Niemands.«
Sie hätten vielleicht über die Dinge sprechen können, die wirklich wichtig waren. Sie hätten vielleicht abends am Kamin zusammen sitzen und Ralph hätte vielleicht sagen können, was er auf dem Herzen hatte, nämlich, dass es ihm leid tat und dass Antonio von ihm aus tun konnte, was er wollte, die Firma verkaufen, das Haus abbrennen oder die Erde mit Salz düngen. Er wollte nur eins, die Vergebung seines Sohnes. Und die würde ihm Antonio niemals gewähren.
Er passte Catherine ab, als Ralph in der Stadt war.
»Er sollte längst tot sein. Aber er liegt nicht mal im Sterben. Du hast geschrieben, komm sofort.«
»Er hat dich hier gebraucht. Er musste das Gefühl haben, dass du kommst. Nur so konnte ich dich dazu bringen, hierherzukommen. Falls du geglaubt hast â¦Â«
»Dann hast du mich also belogen.«
»Ja.«
»Ich will nur eines. Ich will ihn tot sehen. Denk daran, ich kann es ihm jederzeit erzählen. Jeden Abend, wenn er sich mit mir unterhalten will, jeden Abend bin ich kurz davor, und dann tue ich es doch nicht. Das macht mir sogar irgendwie SpaÃ. Er sitzt da wie ein Affe, man kann ihm alles sagen, und er hält einem buchstäblich auch noch die andere Wange hin.«
»Er will deine Vergebung.«
»Er will nachts ruhig schlafen. Oder tut er das schon? Schlafen, meine ich. Du schläfst in seinem Bett. Du solltest es wissen.«
»Er ist ruhelos. Er wird erst ruhig sein, wenn du glücklich bist.«
Die Drohung stand immer im Raum. Sie stand immer im Raum, und sie war sehr real. Sie hatten einen Plan gemacht, und der Plan hatte vorausgesetzt, dass beide mitmachten. Jetzt sagte er, sie ekle ihn an. Wenn Ralph aus dem Weg geräumt war, würde er sie rausschmeiÃen, und es gäbe keinen Ort mehr, an den sie dann noch gehen könnte. Keinen anderen Ort, als zurückzukehren zu India und wieder die Frau zu sein, die sie nicht mehr war.
Catherine wusste nicht, was sie tun sollte. Sie erkannte, dass es zwar eine ganze Reihe von Menschen auf der Welt gab, die einiges über sie wussten, aber nicht einen einzigen, der alles über sie wusste. Sie hatte so viele Lügen erzählt und so viele Identitäten erfunden, immer wieder eine neue für jede neue Situation, in der sie sich gerade befand. Sie konnte sich an niemanden wenden, aber so wie die Lage jetzt war,
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