Eine verlaessliche Frau
herabschauten. Lancelots Mutter, die Dame vom See, die ihn in die Welt hinausschickte, damit er ein Ritter wurde, und die ihn gehen lieÃ, obwohl sie ihn liebte und um seine Seele fürchtete, erklärte ihm den Unterschied zwischen den Tugenden des Herzens und den Tugenden des Leibes. Die Tugenden des Leibes sind für diejenigen reserviert, die ein schönes Gesicht und einen kräftigen Körper besitzen, aber die Tugenden des Herzens â Gutherzigkeit, Güte und Mitleid â sind jedermann zugänglich.
Jungen haben so reine Seelen, dass Ralph diese Worte von ganzem Herzen glaubte, selbst als er glaubte, dass ihm die Tugenden des Herzens für immer versagt bleiben würden und dass er nie groÃ, gut aussehend oder begehrt sein würde. In seinem Körper fühlte er sich fehl am Platze, heimatlos in seinem Herzen.
Und so verlieà Lanzelot seine Mutter und ging hinaus in die Welt, wo er stark und mutig war und absolut hilflos angesichts von Frauen. Seine Reinheit und seine Kraft und Schönheit und sein Mut waren dazu verdammt, in Verfehlung und Zerstörung zu enden. Den Heiligen Gral würde er nie zu Gesicht bekommen. Lanzelots hilflose Lust zerstörte die Welt, nicht seine Kraft, und Ralph verstand all das, während sein Vater ihm vorlas. Ralph spürte heiÃe Tränen in seinen Augen.
Lust und Luxus. Am Ende kamen die Tugenden des Leibes ganz leicht zu Ralph. Er mochte glauben, was er wollte, aber er war groà und gut aussehend und stark und reich. Die Tugenden des Herzens waren ihm unbekannt, und aufgrund des unaufhörlichen Betens seiner Mutter wusste er, dass er sie, worin auch immer sie nun bestanden, niemals erwerben würde. Sie saà in einer nackten Kirche auf einer schlichten Holzbank und sah den Himmel. Er saà neben ihr und dachte an nichts als an nackte Frauen und prächtige Räumlichkeiten, an Seidensonnenschirme, elegante Kutschen und endlose Vergnügungen.
Seine Liebe zu Frauen und seine Angst vor ihnen, vor seinem Tod und ihrem Tod, entwickelte sich zu einem Hass, der niemals nachlieÃ. Er raubte ihm alle SüÃe und lieà ihm nur die Schärfe. Seine Kindheit war ein unauflösliches Gemisch aus Begierde und Alptraum.
Zum Studieren ging er nach Chicago. AuÃerhalb der Reichweite der unermüdlichen Strafpredigten seiner Mutter konnte er seine Tage und Nächte damit verbringen, seinen Vergnügungen nachzugehen. Er lernte schnell. Er war beliebt. Er verachtete sich selbst, wenn er allein war, also war er es nur selten. Er entwickelte Geschmack an Champagner und dem Anblick nackter Frauen in Hotelzimmern. Jede dieser Frauen traf er nur einmal, aus Furcht vor den Krankheiten, die seine Begierde in ihnen säte. Sie hätten ihn mit ihren zynischen, melodischen Stimmen ausgelacht. Wenn sie es nur geahnt hätten. Er führte Leute zum Essen in Restaurants aus. Er kaufte Samtsofas. Er kaufte alte Gemälde von nackten Heiligen, die von Pfeilen durchbohrt wurden. Er hatte seinen eigenen Schneider.
Er war einer dieser Männer, deren gutes Aussehen noch davon überstrahlt wird, dass sie in einer Art von rotwangiger Schüchternheit nichts davon wissen. Er machte Sex, als wollte er sich nicht im Spiegel sehen, ganz Hände und Mund, aber nicht Auge, und die Frauen fanden das liebenswert. Sein Hunger war unersättlich, und sein Mund saugte sich mit seinem Begehren voll wie ein dürstender Mund in der Wüste.
Seine Mutter schrieb ihm nie, und er fuhr nie nach Hause. Er spielte Karten. Er las die Schriften der Philosophen. Er las Huren, die nichts davon begriffen, laut französische Gedichte vor. Er studierte Tabellen und Grafiken, die vorhersagten, wie aus Geld echter Reichtum wurde, und er studierte bei Pferderennen die Informationen seiner Zuträger, die vorhersagten, wie sich aus einem Stammbaum die entscheidende Nasenlänge über der Ziellinie entwickeln konnte.
Sein Vater schickte Geld. Geld, das anscheinend nie zu versiegen schien. Ralph hörte auf, pflichtgemäà an seinen Vater zu schreiben, hörte einmal monatelang auf, überhaupt zur Universität zu gehen, bis er eines Morgens mit dem Nachgeschmack von Champagner im Mund aufwachte und sich nach der Stille eines Gelehrtendaseins sehnte, nach der staubigen Bibliothek, den murmelnden Stimmen der Professoren. Und trotz seines Schweigens wurde ihm jeden Monat die gleiche enorme Summe auf sein Bankkonto überwiesen. Die Bankangestellten
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