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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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Welt war voller Leute, und sie dachte voller Hohn daran, wie außerordentlich wenige davon sie in ihrem Leben kennen gelernt, wirklich kennen gelernt hatte.
    Und auch wenn sie noch so sehr über deren leeres Leben die Nase rümpfen mochte, über die Dummheit und die Langeweile, sie war in diesem Haus gelandet, das geräuschlos in dem erbarmungslosen Schnee lag, und sie würde nur zu gern mit jedem von ihnen die Plätze tauschen.
    In dem Leben, das hinter ihr lag, hatte sie Zigaretten geraucht, Alkohol getrunken und Drogen genommen und nach allem gegriffen, was sie aus dem Meer von Menschen um sie herum nur hatte herausfischen können. Männer schrieben ihr Briefe. Sie hatten sie im Theater gesehen, weit oben in ihrer Loge, und dann schrieben sie, und sie antwortete ihnen. So feinsinnig. Sie würde für eine Stunde oder einen Sommer oder eine Nacht bei jedem von ihnen, dessen Briefe sie amüsiert hatten, Vergessen finden, bei einem Mann mit blauen, grünen oder braunen Augen. Ihre Gesichter kamen ihr so nahe und bettelten um etwas, das sie sich gar nicht vorstellen konnte, und schließlich war das Herzflattern vorbei, und diese luxuriöse Schönheit verging, und sie sah nur noch die Dummheit und den üblen Gestank und das Hassenswerte ihres eigenen Herzens, etwas Hassenswertes, das ihr jeden Augenblick sagte, dass das Vergnügen, das diese Menschen offenkundig in diesen schlichten Momenten fanden, ihr für immer versagt bleiben würde. Und dann machte sie sich wieder auf.
    Sie sehnte sich nach einer Zigarette. Sie würde sogar durch Schneewehen, die ihr bis an den Kopf reichten, waten, um das Vergessen zu erlangen, das Opium oder Morphium gewährten. Aber von all dem war sie jetzt weit entfernt. Sie würde jetzt nicht einmal ein Glas Sherry trinken. Sie würde ihrem Plan folgen, und ihr Plan würde funktionieren, immer vorausgesetzt natürlich, dass Truitt nicht starb.
    Â»Wie geht es ihm, Miss?«
    Â»Er ist unruhig. Und heiß.«
    Â»Zäher alter Vogel. Machen Sie sich keine Sorgen, der kommt durch.«
    Wenn ich sein Geld habe, dachte sie, werde ich weit weg gehen, ich werde in ein Land gehen, in dem ich niemanden kenne und dessen Sprache ich nicht beherrsche, und ich werde niemals wieder mit irgendjemandem sprechen. Aber nein, das war nicht der Plan. Sie musste sich an den Plan erinnern. Wenn sie sein Geld hatte, würde sie ihren nutzlosen und wunderschönen Liebhaber heiraten, und sie würden ein Leben voller außerordentlicher Freuden leben. O ja, das war der Plan.
    In jeder Stadt, in der sie durch Zufall gelandet war, und wenn die Angst und die Unzufriedenheit sie überwältigten, wie sie es am Ende immer taten, suchte sie die öffentliche Bibliothek auf, verbrachte dort Stunden und las Beschreibungen und Reiseführer über die Orte, in die es sie vielleicht ziehen könnte. Sie kannte den Stadtplan von Buenos Aires und Saint Louis. Sie kannte eine Vielzahl von Orten, an denen sie nie gewesen war, bis in die kleinsten Einzelheiten. Wie ein fleißiges Schulmädchen saß sie im schwindenden Licht einer ausgedehnten Leihbibliothek, und sie lernte Dinge.
    Sie sah sich in Venedig, sich und ihren unnützen kindischen Liebhaber, wie sie bis in den Nachmittag schliefen, ihre Zimmer im Danieli ein Durcheinander von halb verzehrten Süßigkeiten und leeren Champagnerflaschen und raffinierten Dessous. Sie hatte Italienisch gelernt, und aus den hohen Fenstern der Bibliothek fiel das Licht schräg in den Raum.
    Sie sah, wie sie sich träge erhoben, das Morphium bildete einen trüben Film über seinen schwarzen Augen, umgeben von seidenen Stoffen und Zigarettenrauch, wie sie Chianti in einer Gondel tranken, die durch das schwarze Wasser auf die Lichter des Lido zusteuerte, und der Gondoliere würde Lieder von Liebe singen, und jede Tür stünde ihnen offen, und endlose alte Räume voller Luxus, Schönheit und Zauber würden sich öffnen, in denen Aristokraten, Prinzessinnen, Grafen und Könige sie auf die Wangen küssen würden, und sie würden niemals altern und niemals sterben. Nie mehr wäre sie allein. Sie hätte die Schönheit ihres Liebhabers und ihre eigene, und sie hätte Ralphs Geld, und beides zusammen würde sicher genügen. Das zumindest war der Plan.
    Sie würde Ralph Truitt heiraten, und dann, eines Tages, beinahe unmerklich, würde er zu altern beginnen und sterben. Und dann

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